Weber in der FAZ

Rechtsstaatlichkeit besser verteidigen

Manfred Weber
Manfred Weber

In einem gemeinsamen Gastbeitrag mit dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hat der EVP-Spitzenkandidat und stellvertretende CSU-Vorsitzende Manfred Weber einen neuen Rechtsstaatsmechanismus für die Europäische Union gefordert.

Rechtsstaatlichkeit ist keine Selbstverständlichkeit

„Das heutige Europa ist eine Koalition von Demokratien, die auf Freiheit begründet sind. Das ist unsere Bastion, unser Grundverständnis, unsere Basis“, so Weber. Die jahrzehntelange Gewissheit, dass die freiheitliche Grundordnung und die europäische Integration Hand in Hand gehen, werde derzeit aber auf die Probe gestellt. „Gegen zwei Mitgliedstaaten, Polen und Ungarn, ist bereits ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren eröffnet worden, doch auch jenseits der gängigen politischen Aufmerksamkeit gibt es in einigen weiteren Staaten handfeste Probleme mit der Einhaltung rechtsstaatlicher Standards.“

Wirkungsvolle Werkzeuge

Europa werde nur dann eine gute Zukunft als Rechtsgemeinschaft haben, wenn wirkungsvolle Werkzeuge zu deren Schutz bestehen. „Das ist für die Verbindlichkeit, Akzeptanz und Glaubwürdigkeit der Rechtsgemeinschaft elementar. Die Rechtsstaatlichkeit ist ein Eckpfeiler unserer europäischen Werteordnung – nicht die jeweils vorherrschende politische Stimmung.“ Bisher bestehe die Gefahr, dass Rechtsstaatlichkeitsverfahren in politische Auseinandersetzungen gezogen werden. Die Menschen seien bei gravierenden Defiziten auch nicht bereit, finanzielle Mittel in einen anderen Mitgliedstaat zu transferieren oder gar in sensiblen Sicherheitsfragen enger zusammenzuarbeiten. Weber stellte klar: „Ohne Vertrauen in eine verlässliche Rechtsordnung kann weder ein verstärktes europäisches Haushaltsbudget noch eine gemeinsame Währung oder auch ein gemeinsamer Grenzschutz funktionieren.“

Fachliche Unabhängigkeit

Wie Weber erklärte, ließe sich der Rechtsstaat in einer fairen Balance zwischen Unions- und Staatenidentität mit Entscheidungen im politischen Mehrheits- und Kompromissmodus nur bedingt schützen. „Wir brauchen keinen neuen politischen Aktionismus, sondern fachliche Unabhängigkeit, eine Analyse aufgrund von Tatsachen und gleichheitsgerecht angelegten Bewertungskriterien.“ Eine objektive Beurteilung als Grundlage für eine Entscheidung, etwa der Kommission oder des Rates, könne nur durch ein unabhängiges Gremium getroffen werden, das fern des parteipolitischen Kalküls, einem gerichtlichen Erkenntnisverfahren ähnelnd, urteile. „Es könnten bestimmte EU-Strukturhilfen zurückgehalten oder geschmälert werden, wenn in der Verwaltung Korruption herrscht oder die Medien nicht frei arbeiten können“, nannte Weber als Beispiel.

Rat für juristische Expertise

„Einen solchen Rat mit juristischer Expertise könnte die Europäische Kommission einsetzen, mit vielleicht nicht mehr als neun Mitgliedern: anerkannten, nicht mehr im Amt tätigen Persönlichkeiten aus dem Kreis nationaler Höchst- oder Verfassungsgerichte und ehemaligen Richterinnen oder Richtern des Europäischen Gerichtshofs“, schlägt Weber vor. Diese Richter, im politischen Spektrum plural ausgewogen, würden nicht nur fachliche Kompetenz wie auch Unabhängigkeit mitbringen, sondern könnten durch ihre berufliche Erfahrung wie auch ihre unterschiedliche Herkunft dem Reflex begegnen, dass die europäische Prüfung nationaler Rechtsstaatsdefizite von Betroffenen innenpolitisch gegen „Brüssel“ instrumentalisiert werde.

Weber betonte abschließend: „Ein solch wirkungsvoller Kontrollmechanismus würde der EU ein Werkzeug geben, der Erosion rechtsstaatlicher Strukturen zügig wie auch wirkungsvoll zu begegnen – entpolitisiert und auf festerem juristischem Grund im Rahmen der europäischen Werte und Grundrechte.“ Ein solcher Rechtsstaatsmechanismus wäre eine Antwort auf neue Herausforderungen.