Müller im Interview

„Afrika kann und muss mehr leisten“

Gerd Müller
Gerd Müller

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller hat im Interview mit der WELT fairen Handel für Produkte aus afrikanischen Staaten gefordert, um die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort anzukurbeln.

Im Hinblick auf Afrika geht es nach Müller nicht mehr um die klassische Entwicklungszusammenarbeit. „Es geht um eine neue Partnerschaft zwischen Europa und Afrika in der Außen-, Wirtschafts- und Handelspolitik, bei Gesundheit, Bildung und Energie. Um diese Dimension zu verdeutlichen, habe ich den Begriff Marshallplan gewählt.“ Besonderes Augenmerk gelte Reformpartnerschaften, die bereits mit Tunesien, Ghana und der Elfenbeinküste geschlossen wurden. „Mit drei weiteren Ländern, Äthiopien, Marokko und dem Senegal, verhandeln wir derzeit.“ Voraussetzungen dafür seien gute Regierungsführung, Kampf gegen Korruption, Herstellung von Rechtssicherheit und Einhaltung der Menschenrechte. „Wer reformiert, dem bieten wir eine vertiefte Partnerschaft an.“ Wenn bei Regierungen aber keinerlei Reformwille vorhanden sei, werde das Engagement heruntergefahren. „Menschen, die von Hunger und Not bedroht sind, werden wir aber weiterhin unterstützen“, versicherte Müller.

Fairer Handel

„Mit fairem Handel lösen wir die größten Entwicklungssprünge aus“, machte Müller deutlich. „In dieser Adventszeit werden 150 Millionen Schoko-Nikoläuse in Deutschland produziert.“ Aber leider sei nur die Hälfte des dafür verwendeten Kakaos fair, „also ohne Kinderarbeit, ökologischen Raubbau und Hungerlöhne für die Arbeiter auf den Kakaoplantagen“. Und er fügte hinzu: „Viel zu oft, das muss ich leider so deutlich sagen, wird unser Lebensstandard durch die Ausbeutung von Mensch und Natur ermöglicht.“

Zollfreiheit für afrikanische Staaten

Müller spricht sich für Zollfreiheit für afrikanische Staaten aus, um den wirtschaftlichen Aufschwung vor Ort zu beschleunigen: „Die am wenigsten entwickelten Länder haben bereits freien Marktzugang in der EU, aber sie können viele Bedingungen zur Sicherheit und Hygiene der Produkte nicht erfüllen. Deswegen unterstützen wir sie bei der Qualitätssicherung.“ Die nordafrikanischen Staaten seien hier schon weiter. „Aber Tunesien hat beispielsweise für sein Olivenöl keinen komplett zoll- und quotenfreien Zugang zum europäischen Wirtschaftsraum. Die Einfuhrquote war dieses Jahr bereits nach wenigen Wochen ausgeschöpft. Danach sind Zölle fällig.“ Für Müller macht es keinen Sinn, die tunesische Wirtschaft mit Entwicklungsgeldern aufzubauen und gleichzeitig konkurrenzfähige Produkte vom europäischen Markt auszuschließen. „Deshalb muss die EU den Mut aufbringen, die nordafrikanischen Staaten perspektivisch in den europäischen Wirtschaftsraum zu integrieren.“

Begrenzung der Migration

Afrika sei die „Schicksalsfrage Europas“, so Müller weiter. Doch die Probleme seien lösbar. „Deutschland leistet hier bereits viel. Blicke ich aber auf den EU-Haushalt für die kommenden Jahre, dann hat Brüssel die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Es reicht nicht ansatzweise, die EU-Mittel für ganz Afrika von jährlich 4,5 Milliarden Euro auf 5,5 Milliarden zu erhöhen. Wir brauchen eine Verdopplung.“ Müller forderte die Europäische Union außerdem auf, einen Afrika-Kommissar zu berufen und die Zusammenarbeit in einem EU-Afrika-Rat institutionalisieren. „Ich bin sicher, wenn wir in Bildung und Jobs investieren und die Rahmenbedingungen weiter verbessern, dann werden viele Afrikaner ihre Zukunft nicht in Europa suchen.“

Das ganze Interview gibt es hier zum Nachlesen.