Interview mit RND

"Wir sind die bürgerliche Kraft der Mitte"

Frage: Herr Blume, vier Monaten nach der Bundestagswahl sind die Umfragewerte weiter eher mittelprächtig. Wie kommen Sie da raus?

Markus Blume: Ich nehme Rückenwind für Markus Söder, die CSU und die Union insgesamt wahr. Seit der Bundestagswahl zeigt die Kurve für die CSU in Bayern nach oben. Auch die Vorzeichen für die Union bundesweit beginnen sich langsam umzudrehen. Die Ampel verliert, die Union legt zu. Das ist ja auch kein Wunder.

Frage: Warum?

Markus Blume: Die Union hat gut in die Rolle als kritische und konstruktive Opposition gefunden, wir sind einig und geschlossen. Die Ampel-Koalition dagegen ist völlig orientierungslos. Wir erleben einen Ampel-Ausfall mitten in der politischen Rushhour und das ist sehr gefährlich. Deutschland fragt sich: Wo ist Olaf Scholz? In der Ukraine-Krise taucht er trotz G7-Präsidentschaft ab, sein groß angekündigtes Impfziel von 80 Prozent bis Ende Januar hat er meilenweit verfehlt, eine Impfpflicht will er, tut aber gar nichts dafür. Man fragt sich wirklich, was Olaf Scholz den ganzen Tag macht.

Frage: Einigkeit haben CDU und CSU schon häufig beschworen – und sich dann doch wieder in die Haare bekommen. Warum sollte es diesmal anders sein?

Markus Blume: Wir wissen, dass wir als Union nur dann stark sind, wenn wir an einem Strang ziehen - und zwar in dieselbe Richtung. Wir haben jetzt die Chance, uns programmatisch zu profilieren. Wir sind nicht mehr im Kompromiss gefangen, sondern können an vielen Stellen deutlicher als bisher das formulieren, was CSU und CDU ausmacht. Ab jetzt gibt es Union pur.

Frage: Der neue CDU-Chef Friedrich Merz hat deutlich gemacht, dass er sich von der CSU nichts mehr gefallen lassen möchte. Wird die CSU zurecht gestutzt?

Markus Blume: Wie kommen Sie darauf? Die Mannschaftsaufstellung ist jetzt rund. Ich sehe überall den Geist eines neuen Miteinanders. Den werden wir gemeinsam mit jeder Faser leben.

Frage: Was muss die Union inhaltlich anbieten, um ihre Position zu verbessern?

Markus Blume: Wir sind die bürgerliche Kraft der Mitte und die Stimme der Vernunft. Je mehr die Ampel die Grundkoordinaten Deutschlands nach links verschiebt, desto wichtiger ist es, dass wir als Union Linie halten. Wir müssen unsere Positionen nicht verändern. Wir stehen bei der Inneren Sicherheit für einen starken Staat. Das ist das Kontrastprogramm zur Ampel, die massive Zuwanderung organisieren will, der Polizei mit Misstrauen begegnet und Drogen legalisieren möchte. Und wir stehen für Freiheit und Eigenverantwortung, wir kümmern uns um die ganz normalen Menschen. Egal ob Facharbeiter, Handwerker oder Gründerin: Alle sind derzeit dramatisch betroffen von explodierenden Preisen, steigenden Energiekosten. Aber die Ampel beschäftigt sich lieber mit der Frage, ob man mehr Eltern braucht als Vater und Mutter.

Frage: Geht es da nicht eher darum, bestehenden Konstellationen das Leben zu erleichtern – also den Alltag anzuerkennen?

Markus Blume: Wir haben als CSU keinen gesellschaftlichen Modernisierungsbedarf. In unserem Grundsatzprogramm heißt es schon jetzt, dass der Staat jede Form von Familie respektiert. Die Ampel ist vor allem gut darin, schöne Begriffe zu erfinden, um zu verschleiern, dass sie unser Land und die Gesellschaft fundamental umbauen will. Ich habe von der Ampel noch nie ein Bekenntnis zu Ehe und Familie gehört.

Frage: Im Bundestagswahlkampf konnten Sie offenbar nicht rüberbringen, dass Sie die „Stimme der Vernunft“ sind. Warum?

Markus Blume: Wenn man im Wahlkampf nicht deutlich machen kann, dass man auch nach 16 Regierungsjahren einen unbändigen Willen zur Erneuerung hat, kommen plötzlich auch Alternativen in Betracht. Die SPD hat nicht aus eigener Stärke nicht verloren, sondern wir haben aus eigener Schwäche nicht gewonnen. Das war das Problem.

Frage: Was war der größte Fehler der CSU?

Markus Blume: Der andauernde Blick in den Rückspiegel wird uns nicht weiterbringen. Wir müssen die richtigen Alternativen zum Regierungshandeln präsentierten. Wir haben eine Regierung, die teuer und tatenlos ist. Das ist eine toxische Kombination.

Frage: Was würden Sie machen, wenn Sie noch regieren würden?

Markus Blume: Wir brauchen eine dynamische Pendlerpauschale, um den ländlichen Raum zu unterstützen. Die EEG-Umlage muss sofort abgeschafft werden, nicht erst irgendwann. Das schafft schnelle und unbürokratische Entlastung für alle Bürger. Außerdem muss bei der Einkommenssteuer ein Inflations- und Preissteigerungsausgleich verankert werden. Da warte ich auf einen Vorschlag von Christian Lindner, dessen FDP sich seit der Regierungsübernahme nicht mehr daran erinnern mag, dass sie immer gegen heimliche Steuererhöhungen war.

Frage: CSU-Chef Markus Söder hat Waffenlieferungen an die Ukraine eine Absage erteilt. Manche in der Union sehen das anders. Wie erklärt sich die CSU-Position?

Markus Blume: Der Konflikt ist zu komplex, als dass allein Waffenlieferungen ihn lösen könnten. Es braucht ein Gesamtkonzept, das zwei Maximen folgt: Im Dialog bleiben und klare Konsequenzen für den Fall aufzeigen, dass die territoriale Integrität der Ukraine nicht respektiert wird. Genau das hat Markus Söder gesagt. Das wichtigste Ziel muss sein, Frieden in Europa zu sichern und jede Eskalation zu verhindern.

Frage: Die CSU hatte von Franz Josef Strauß bis Horst Seehofer und auch mit Blick auf Wirtschaftsinteressen immer besondere Beziehungen zu Russland. Wie ist das jetzt?

Markus Blume: Ich finde die SPD-Beziehungen zu Russland viel interessanter. Der ehemalige Kanzler Gerhard Schröder tritt als bezahlter Pressesprecher des Kremls auf. Er schadet damit dem Ansehen seines früheren Amtes und dem Land. Das ist maximal irritierend.

Frage: Zur Corona-Pandemie: Die CSU-Spitze plädiert für eine allgemeine Impfpflicht – warum?

Markus Blume: Impfen ist die einzige Strategie, die uns aus der Endlosspirale der Pandemie führt. Wir müssen unsere Bevölkerung so umfänglich schützen, dass unser Gesundheitssystem nicht wieder überlastet wird, wenn nach dem scheinbar harmloseren Omikron wieder eine problematischere Variante des Virus kommen sollte. Da hilft nur eine allgemeine Impfpflicht. Auch hier drückt sich die Regierung vor einem klaren Kurs. Aber: Wer wackelt, wird bei Corona verlieren.

Frage: Sie würden die Impfpflicht unabhängig von Alter und Berufsgruppen einführen?

Markus Blume: Die allgemeine Impfpflicht würde befrieden – anders als die berufsbezogene, die nur ein erster Schritt sein kann. Corona macht ja auch keinen Halt vor anderen Berufsgruppen. Wichtig ist, jetzt schnell die gesetzlichen Grundlagen für die Impfpflicht zu schaffen. Im Moment läuft es leider so: Es wird nur über Ausnahmen diskutiert und das eigentliche Ziel des Impfens gerät aus dem Blick. Auch hier frage ich: Wo ist eigentlich der Regierungsvorschlag von Olaf Scholz?

Frage: Nochmal zur Union: Der Vorsitzende der Werteunion, Max Otte, kandidiert für die AfD als Bundespräsident. Wie sollte die Union mit der Werteunion umgehen, deren Mitglieder meist CDU-Parteibuch haben?

Markus Blume: Die Werteunion hat sich mit der Kandidatur ihres Vorsitzenden für die AfD endgültig selbst enttarnt. Die Konsequenz, mit der die CDU das Ausschlussverfahren gegen Herrn Otte auf den Weg gebracht hat, war das einzig Richtige. Grundsätzlich gilt: Wenn politische Überzeugungen in einzelne Splittergruppen ausgelagert werden und man sich dort radikalisiert, ist das hoch problematisch. Bürgerliche Überzeugungen müssen in der Union ihren Platz haben, radikale Positionen dagegen nirgendwo.

Frage: Sollte die Werteunion sich auflösen?

Markus Blume: Es handelt sich nicht um eine Organisation von CDU oder CSU. Man kann aber nur jedem Mitglied zurufen: Augen auf, wen man unterstützt.

Frage: Manche in der CDU würden gerne auch Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen aus der Partei ausschließen. Könnte er in der CSU Mitglied bleiben, wenn er es wäre?

Markus Blume: Das ist eine theoretische Frage. Fakt ist: In Bayern gibt es weder einen Herrn Maaßen noch eine Werteunion.

Frage: Da sind Sie ganz froh drum?

Markus Blume: In der Tat.

Frage: Als Armin Laschet sich im Sommer 2021 die Kanzlerkandidatur der Union erkämpft hatte, haben Sie Markus Söder als Kanzlerkandidaten der Herzen bezeichnet. Können Sie sich vorstellen, Friedrich Merz mal als Kanzlerkandidaten der Herzen zu betiteln?

Markus Blume: (lacht) Bis zur Bundestagswahl 2025 fließt noch viel Wasser die Isar runter.  Entscheidend ist, dass wir 2025 wieder einen Kanzler der Union haben. Und wenn die Ampel so weitermacht, dann gerne auch schon früher.