Interview mit den Nürnberger Nachrichten

„Jetzt nicht vom Kurs abkommen!“

Frage: Herr Blume, nach der Beinahe-Kanzlerschaft sind Sie in Berlin in de Opposition gelandet. Wie gut ist die CSU in dieser neuen Rolle angekommen?

Markus Blume: Wir haben die Rolle engagiert angenommen. Ich spüre einen neuen Rhythmus in der Union. Da ist viel Miteinander, da ist viel Gestaltungswille. Und da ist viel Entschlossenheit zum gemeinsamen Aufbruch.

Frage: Herr Blume, nach der Beinahe-Kanzlerschaft sind Sie in Berlin in de Opposition gelandet. Wie gut ist die CSU in dieser neuen Rolle angekommen?

Markus Blume: Wir haben die Rolle engagiert angenommen. Ich spüre einen neuen Rhythmus in der Union. Da ist viel Miteinander, da ist viel Gestaltungswille. Und da ist viel Entschlossenheit zum gemeinsamen Aufbruch.

Frage: Wie glaubhaft ist eine Union als Opposition , die 16 Jahre regiert hat? Viele Ihrer Forderungen hätten Sie bis vor einem Monat selbst umsetzen können.

Markus Blume: Das ist das normale Spiel in der Demokratie. Aufgabe der Opposition ist es, Alternativen zum Regierungshandeln aufzuzeigen. 16 Jahre in der Regierung heißt auch, 16 Jahre schwierige Kompromisse zu finden. Jetzt beginnt die Zeit von Union pur und vor allem von CSU pur. Wir werden deutlich machen, für welche Politik wir stehen. Und die Regierung lässt uns mit ihrem Holperstart dafür extrem viel Platz.

Frage: Das wird sich ändern, wenn sie Tritt fasst. Sie ist erst einen Monat im Amt.

Markus Blume: In Pandemiezeiten gibt es keinen Welpenschutz. Die neue Regierung wollte mit viel Ambition starten. In den ersten Wochen wirkt sie aber eher wie eine Nicht-Regierungsorganisation: kein Vorschlag zur Umsetzung der Impfpflicht, keine Antworten auf die steigenden Energiepreise, keine Konzepte gegen die Inflation.

Frage: Sie haben mit Friedrich Merz einen starken Gegenspieler in der CDU, der in der CSU-Führung nicht beliebt ist. Ist die Figur Merz eine Chance für die CSU zur Profilierung in der bürgerlichen Mitte?

Markus Blume: Ich sehe in der neuen Aufstellung keine Gegenspieler, sondern Mitspieler. Wir teilen Grundüberzeugungen, wir haben denselben Blick auf die Zukunft und bringen den unbedingten Willen mit, die Union wieder stark zu machen. Wir haben in diesem Jahr vier wichtige Landtagswahlen und dann 2023 in Bayern. Ich sehe für die Union viel Potenzial, gerade mit den beiden Parteivorsitzenden Friedrich Merz und Markus Söder.

Frage: Zu Corona : Es fällt auf, dass die CSU die Linie gewechselt hat vom Team Vorsicht ins Team Augenmaß. Die CDU ist da definitiv nicht. Ist das  eine Abgrenzung zur CDU?

Markus Blume: Markus Söder steht weiter dem Team Vorsicht vor, ergänzt durch Augenmaß. Augenmaß bedeutet, in einer neuen Phase der Pandemie auch neue und passende Antworten zu geben. Die Omikron-Welle ist eine Wand, aber zumindest scheinen Geimpfte und Geboosterte vor schweren Verläufen geschützt. Trotzdem gilt weiter: Wir müssen eine Überlastung unseres Gesundheitssystems verhindern.

Frage: Die Vergangenheit hat gelehrt, dass man auf die tagesaktuellen Zahlen nichts geben sollte, weil das Virus sich schnell ausbreiten kann. Bayern hat ausreichend schlechte Erfahrungen gemacht. Insofern verstehen viele nicht, warum Sie mit zweierlei Maß messen, wenn es um Gastronomie und Kultur geht.

Markus Blume: Die Gastronomie gehört zu den am härtesten getroffenen Branchen in der Pandemie. Und im Gegensatz zu anderen Ländern sind bei uns Bars geschlossen und für die Gastronomie gilt eine Sperrstunde. Wir wollen weder Schulen noch Wirtschaft oder Kultur schließen oder weiter belasten. Wir haben Möglichkeiten wie Hygiene, Boostern und Impfpflicht, diese gilt es zu nutzen.

Frage: Wird das Team Augenmaß in der kommenden Woche für die Kultur die Bestimmungen lockern und an die Regeln der Gastronomie anpassen? Was nicht wirklich zum Team Vorsicht passen würde?

Markus Blume: Wir erleben eine explosionsartige Ausbreitung von Omikron. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für Lockerungen.

Frage:Es bleibt also bei dieser offensichtlichen Ungerechtigkeit, die die Kulturschaffenden auch beklagen?

Markus Blume: Wir nehmen die Sorgen ernst und müssen sicherstellen, dass niemand durch den Rost fällt. Die Kultur ist Bayerns Seele. Aber absolute Gerechtigkeit ist beim Pandemie-Management leider nicht möglich. Bei aller Kritik im Detail: In Bayern und in Deutschland haben wir uns gut durch die Pandemie gesteuert. Natürlich müssen wir versöhnen, die Hand ausstrecken und helfen. Aber wir dürfen jetzt nicht vom Kurs abkommen.

Frage: Dazu zählt die Impfpflicht. Wo steht da die CSU im Moment?

Markus Blume: Sie können „im Moment“ streichen. Wir waren für die Impfpflicht, wir sind für die Impfpflicht und wir bleiben es. Jetzt muss die Regierung ihre Position darlegen. Es ist ein Trauerspiel, dass Bundeskanzler Olaf Scholz nur seine persönliche Meinung, aber keine Regierungshaltung vortragen kann. Und das bei einer so grundsätzlichen Frage und so eindeutigem Expertenrat. Die Regierung muss dem Parlament einen Vorschlag unterbreiten. Dann können wir abstimmen. Alles andere ist ein Armutszeugnis und kommt einer Arbeitsverweigerung gleich.

Frage: Die Union ist doch auch nicht geschlossen. Viele Ihrer Mandatsträger wenden sich offen gegen eine Impfpflicht. Sie werden dagegen stimmen.

Markus Blume: Unterschiedliche Positionen sind in einer Demokratie zulässig. Aber die Bürgerinnen und Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass sie eine entschlussfreudige Regierung haben. Und die sehe ich nicht. Sie können den Ball jetzt nicht zur Opposition spielen. Es ist nicht unsere Aufgabe, dass wir für eine Regierung entscheiden, die vom Start weg nicht handlungsfähig ist.

Frage: Für eine Impfpflicht ist es ein wichtiges Signal, wenn alle Parteien sie mittragen.

Markus Blume: Ich halte es für notwendig, dass sich jede Partei zu einer Impfpflicht positioniert. Bei uns in der CSU ist die Haltung klar. Wir befürworten sie.

Frage: Die Union ist auf wenige starke Leute zurückgeworfen, das engt die bundespolitische Bühne ein. Wie sehr wird sich die CSU jetzt nach Bayern zurückziehen?

Markus Blume: Wir sind beides, kraftvolle Opposition in Berlin und erfolgreiche Regierungspartei in Bayern. Klar spielt die Musik jetzt vor allem in Bayern. Schon, weil Oppositionsarbeit auch aus Bayern heraus erfolgt. Unsere Ministerinnen und Minister sind besonders gefordert, weil sie Bayern gut regieren und Gegenkonzepte zu Berlin präsentieren müssen.

Frage: Nächste Woche geht Ihre Fraktion in Klausur. Die Umweltpolitik spielt dort keine Rolle mehr. Wendet sich die CSU ab?

Markus Blume: Im Gegenteil. Aber es gibt nicht nur ein Thema. Die Kunst ist, die Dinge zusammenzubringen. Wir haben immer deutlich gemacht, dass Ökologie und Ökonomie gemeinsam gedacht werden müssen.

Frage: Die Ökonomie hat Ihnen in der Frage Ökologie gerade ein denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt.

Markus Blume: Wir sind uns mit der bayerischen Wirtschaft einig, dass bezahlbare Strompreise und die Versorgungssicherheit entscheidend sind für die Zukunft. Das muss der neue Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck garantieren. Ein paar Windräder zusätzlich reichen da nicht. Da braucht es mehr, etwa den Leitungsbau oder notwendige Ersatzkapazitäten für Zeiten der Dunkelflaute.

Frage: Was die Leitungen angeht, haben Sie Probleme mit Ihrem Koalitionspartner. Bei 10H wird der Bund Sie überrollen. Wieso beharrt die CSU auf dieser Position?

Markus Blume: Der Ausbau sämtlicher erneuerbarer Energien setzt die Akzeptanz der Bevölkerung voraus. Die kann niemand erzwingen. Bayern ist Spitze bei den erneuerbaren Energien, aber Süddeutschland ist nun einmal keine Windkraftregion. Im grün-regierten Baden-Württemberg liegen die Zubauraten der letzten Jahre noch weit hinter den bayerischen zurück. Nicht 10H ist das Problem, sondern die fehlende Wirtschaftlichkeit für Windkraft im Süden. Hier sollte Habeck ansetzen.

Frage: Söder hat lange in Bayern mit einer schwarz-grünen Koalition geliebäugelt. Ist das vorbei mit der Ampel in Berlin?

Markus Blume: Wir schauen auf Bayern und uns, nicht auf andere. Wir wollen die CSU so stark wie möglich machen. Markus Söder und die CSU genießen nach wie vor starken Rückhalt in der Bevölkerung. Aber wir haben noch Potenzial nach oben. Deswegen konzentrieren wir uns darauf, dass wir in Bayern gut regieren. Das Land steht sensationell da bei allen Schlüsselzahlen. Mit dieser Bilanz wäre mir nicht bange, wenn morgen die Wahl wäre.

Frage: Nach der Sonntagsfrage hat Ihre Koalition aktuell keine Mehrheit mehr. Fürchten Sie eine Ampel auch in Bayern?

Markus Blume: Die Mehrheit der Bayern attestiert der neuen Bundesregierung einen echten Fehlstart. Viele merken jetzt, was sie an Bayern und der CSU haben. Hier sehnt keiner eine Ampel herbei.

Frage: Sie liegen bei 35 Prozent, das wäre das schlechteste Ergebnis aller Zeiten. Wie wollen Sie die Menschen überzeugen?

Markus Blume: Umfragen sind Momentaufnahmen, an denen wir unsere Politik nicht ausrichten. Wir wollen Zukunftschancen in Bayern schaffen. Deswegen sorgen wir für Innovationen und Investitionen. Es geht um das Lebensgefühl. Egal wie Sie es nennen – Laptop und Lederhose, Leberkas und Laser oder Dirndl und Digitales: Diese Einzigartigkeit steht 2023 zur Abstimmung.

Frage: Werden Sie das mit Geld hinterlegen? Die pro-Kopf-Verschuldung in Bayern ist wegen Corona gerade um knapp 800 Euro gestiegen. Wie wirkt sich das aus?

Markus Blume: Bayern ist trotz Corona finanzpolitisch solide aufgestellt. Es geht auch gar nicht um neue Milliarden-Programme, sondern darum, dass wir umsetzen, was Markus Söder angelegt hat. Zumal es eine Reihe von Dingen gibt, die nur Bayern bietet, von der High-Tech-Agenda über das Familien- bis zum Pflegegeld.

Frage: Das greifen Sie auch nicht an, wenn es ums Sparen geht? Das garantieren Sie?

Markus Blume: Unser Weg heißt: zurück zur schwarzen Null mit solidem Wirtschaftswachstum, nicht mit Sparorgien.An diesen Programmen wird es keinen Abstrich geben. Das war in der Vergangenheit unser Rezept. Und wird es für die Zukunft bleiben.