Söder im Interview

„Ganz schlechter europäischer Stil“

Im Interview mit der Passauer Neuen Presse hat der Bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder den Entscheidungsprozess um die EU-Kommissionspräsidentschaft als Rückschritt für die Demokratie in Europa bezeichnet.

Niederlage für die europäische Demokratie 

„Das ist schwer verständlich zu machen“, sagte Söder zur Nominierung von der Leyens als EU-Kommissionspräsidentin. „Das Prinzip der Spitzenkandidaten, auf das sich alle Parteien verständigt haben, ist ein tiefdemokratisches Prinzip.“ Die Wähler hätten sich dadurch für Europa begeistern lassen. „Jetzt gewinnt leider das Hinterzimmer“, kritisierte der CSU-Chef. „Das ist ein Rückschritt für die Demokratie in Europa. Und natürlich eine große Enttäuschung für Bayern und die CSU.“

Kritik an Macron und Orbán

Die jetzt getroffene Entscheidung ist nach Ansicht Söders ein Sieg der Blockadepolitik des französischen Staatschefs Macron und des ungarischen Ministerpräsidenten Orbán. „Die beiden haben letztlich das Spitzenkandidatenprinzip infrage gestellt und verhindert. Die Art und Weise, wie sie zudem über den von den Wählern demokratisch legitimierten EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber gesprochen haben, war völlig unangemessen. Das war ganz schlechter europäischer Stil.“

Respekt für Manfred Weber

Die Entscheidung gegen Weber tue weh, weil dieser „der Brückenbauer in Europa schlechthin“ sei. „Ich kenne niemanden, der Europa so sehr lebt und verinnerlicht. Deshalb verdient es höchsten Respekt, wie loyal und fair er mit einer unfairen Entscheidung umgeht.“ Weber habe Größe gezeigt, so Söder weiter. Klar sei aber auch: „Er bleibt in zentraler Rolle für Europa und die CSU.“

Gut für Deutschland, den Kommissionspräsidenten zu stellen

Die CSU trägt die Entscheidung für die neue Kommissionspräsidenten aus nationaler Verantwortung mit . „Ursula von der Leyen ist eine respektable Persönlichkeit“, hielt Söder im Interview fest. Kritik übte er an der unverständlichen Haltung der SPD. Deren Position führte dazu, dass Deutschland als einziges Land im Europäischen Rat der deutschen Kommissionspräsidentin nicht zugestimmt hat.  „Es ist peinlich, wie sich die SPD verhält. Ohne jegliche Alternative blamiert die SPD  Deutschland mit einer erzwungenen Stimmenthaltung im Europäischen Rat. Das ist einfach nur destruktiv.“ 

Ihm geht es aber um den Entscheidungsprozess: „Das ganze Verfahren ist eine Niederlage für die Demokratie in Europa. Alle Versprechen die gegeben wurden – mehr Einbindung, mehr Transparenz, mehr Demokratie – wurden nicht eingehalten.“

Alleiniges Vorschlagsrecht für das EU-Parlament

„Mein Gefühl ist, dass wir künftig die europäische Vertragslage überdenken müssen“, betonte Söder. „Dass nur der Rat vorschlagen und das Parlament zustimmen kann, sollten wir ändern. So könnte eine der Lehren aus dieser Erfahrung sein, dass wir am Ende neue europäische Verträge brauchen. Dem Parlament sollte in Zukunft das alleinige Vorschlagsrecht überlassen werden.“