Söder im NZ-Interview

Für ein starkes Europa!

CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat im Interview mit der Nürnberger Zeitung (NZ) die Wichtigkeit der Europawahl herausgestellt: „Dies wird tatsächlich eine Wahl, die eine Weichenstellung vornimmt. Es geht darum, ob Europa wieder Fahrt aufnimmt und ein ernst zu nehmender Spieler im internationalen Wettbewerb bleibt oder in die Kleinstaaterei zurückfällt. Klar ist: Die Welt dreht sich schnell weiter. Wir spüren die Dynamik, die die USA mit ihren einseitigen Maßnahmen auslösen, und die technologisch-wirtschaftliche Herausforderung durch China. Die Frage ist, ob Europa hier noch ein Bein in die Tür der Weltpolitik bekommt. Wenn es so läuft, dass überall in Europa durch Nationalisten und Populisten innere Spannungen entstehen und deren einziges Rezept es ist, gegeneinander zu hetzen, dann entsteht die Gefahr, dass Europa nicht mehr handlungsfähig ist. Dann wird Europa leise, aber doch ziemlich nachhaltig von der Weltbühne abtreten.“

Söder machte deutlich, dass die europäische Idee heute eine andere Bedeutung hätte als in den Wahlkämpfen zuvor: „Natürlich gibt es Veränderungsbedarf in der EU. Europa muss als Freiheitsgemeinschaft und Schutzkontinent zugleich verstanden werden. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes wollen von Europa Freiheiten im Inneren, aber auch den Schutz der EU-Außengrenzen. Wir leben von der Internationalität, sind weltoffen und optimistisch. Mit der dunklen Einstellung der Salvinis dieser Welt kann man nichts anfangen.“ Man müsse stattdessen wieder positiv über die EU reden: „Europa muss mit den Kompetenzen ausgestattet werden, mit denen es wirken kann. Und wir müssen immer wieder betonen, dass dieses Europa den Frieden sichert. Ein solches Europa finden die meisten Bürger gut.“

Reformbedarf der EU

„Die Schutzfunktion der EU muss erhöht werden“, so Söder: „Etwa der Schutz der EU-Außengrenzen, aber auch der Schutz der europäischen Wirtschaft. Das Verbot der Fusion von Siemens / Alstom war ein Fehler. Die Betrachtung der Kommission hat den internationalen Markt nicht beachtet. Gleichzeitig lässt man es zu, dass die großen Internetgiganten aus den USA in Europa schalten und walten können, wie sie wollen. Regeln für alle sind wichtig, aber es ist auch klug, wenn es Regeln gibt, die Europa nützen und schützen. Für wichtig halte ich außerdem mehr Regionalität. Der Ausschuss der Regionen soll nicht nur ein nettes Kaffeekränzchen bleiben, sondern er soll zu einer echten Kammer aufgewertet werden. Ob Norditalien, Schottland, Katalonien, Wallonien oder Bayern - viele Regionen wollen sich in Europa stärker wiederfinden. Der Ausschuss der Regionen könnte neben dem Parlament und dem Rat eine stärkere Gesetzgebungskompetenz haben. Das würde auch die Menschen stärker an dieses Europa binden.“

Europawahl als Schicksalswahl

Es sei wichtig, den Bürgern Europas die Wichtigkeit der Wahl nahezulegen. Söder: „Wir als CSU werden klarmachen, worum es bei der Europawahl geht - beim Politischen Aschermittwoch und beim Kleinen Parteitag in Nürnberg. Diese Europawahl ist keine, die nur zwischen zwei Bundestagswahlen ist, sondern eine eigene Top-Wahl. Ich bin optimistisch, dass wir die Europawahl gewinnen können. Aber dafür muss man kämpfen. Extremisten, Nationalisten und Populisten sind immer aktiv. Die tun sich auch leicht, denn gegen etwas zu sein, ist leichter als für etwas. Wir in Bayern haben für Europa ein zusätzliches Argument - unseren Spitzenkandidaten Manfred Weber. Andere Parteien stellen bestenfalls Zählkandidaten auf oder Hinterbänkler. Wir dagegen wollen den Chef der künftigen EU-Kommission stellen. Das bedeutet einen großen Vorteil für Bayern, weil dann bayerische Politik und Lebensart in die EU-Kommission Einzug halten.“

Skepsis gegenüber Mehrheitsprinzip

Söder zeigte sich skeptisch gegenüber einer Änderung des Entscheidungsprinzips nach Mehrheiten, etwa im Bereich Steuern und Finanzen, wo bislang das Einstimmigkeitsprinzip gilt. „Da bin ich im Moment mit Blick auf einige Länder, die sich wirtschaftlich und politisch sehr schwertun, zurückhaltend. Wenn alle den gemeinsamen politischen Geist und gemeinsame politische Werte teilen und sich an geschlossene Verträge halten, ist das Mehrheitsprinzip spannend. Wenn man aber befürchten muss, dass einige Länder über das Mehrheitsprinzip die Wertebasis verlassen, wird es schwierig. Die formale Einführung des Mehrheitsprinzips löst kein Problem. Wenn eine Mehrheit beschließen würde, dass zum Beispiel die zwei wirtschaftlich stärksten Länder einen europäischen Länderfinanzausgleich bezahlen sollen, dann liegt das nicht in unserem Interesse.“

Subsidiarität erhalten

Der CSU-Chef sprach sich außerdem für den Erhalt des Subsidiaritätsprinzips aus: „Was nie gut ist, ist die Vermengung von Kompetenzen. Das hat man in Deutschland in der Diskussion um den Digitalpakt für die Schulen gesehen. Wenn der Bund für die Digitalisierung der Schulen Geld zur Verfügung stellt, ist das okay, aber es macht keinen Sinn, wenn dafür die Schulpolitik aus Berlin bestimmt wird. So ist es in Europa auch. Europa muss sich auf die wesentlichen Fragen konzentrieren. Beispiele: Standards bei der Digitalisierung setzen, sich gegen das wirtschaftliche Staatsdoping Chinas rüsten, die Außengrenzen schützen und eine europäische Verteidigungsarmee aufbauen. Wir müssen dabei aber aufpassen, dass dieses Europa nicht nur ein Europa der Eliten ist, sondern ein Europa der Normalbürger bleibt.“

Versorgungssicherheit muss erhalten bleiben

Der Ministerpräsident warnte vor möglichen Engpässen bei der Stromversorgung: „Söder: Wir steigen aus der Kernenergie aus und wollen nun auch den Kohleausstieg. Es gibt aber bis heute kein Konzept, wie dabei Versorgungs- und Preissicherheit garantiert werden kann. Wir dürfen es nicht zulassen, dass der Süden Deutschlands deindustrialisiert wird. Wenn wir also bis dahin keine Stromleitungen haben, geht uns ganz einfach der Strom aus. Selbst gegen teure Erdverkabelung regt sich Widerstand. Und Windräder finden bei der Bevölkerung wenig Anklang. Schon heute haben wir die höchsten Strompreise in Europa. Wenn es so weitergeht, wird die energieintensive Industrie abwandern. Wir brauchen also leistungsfähige Netze. Dann brauchen wir ein neues Design für Erneuerbare Energien, da Bayern bei den Ausschreibungen für den Kapazitätsausbau benachteiligt ist. Am wichtigsten sind aber Rahmenbedingungen, die Gas wirtschaftlich sinnvoll machen. Wir haben in Bayern das modernste Gaskraftwerk der Welt in Irsching, das aber stillsteht. Wir müssen es wieder zum Laufen bringen.“