Interview mit der Augsburger Allgemeinen

CSU wird Bollwerk gegen Zentralismus-Ampel sein

Frage: Herr Blume, es freut mich, dass Sie wieder sprechfähig sind.

Markus Blume: Ein CSU-Generalsekretär ist immer sprechfähig.

Frage: Naja! Nach dem Wahldebakel der Union haben Sie erst mal Pause gemacht. Das ist doch Ihr erstes Interview nach der Bundestagswahl, oder?

Markus Blume: Pause machen galt tatsächlich nur für Zeitungsinterviews (lacht). In der Phase nach der Wahl ging es erst einmal darum, zu analysieren und zu diskutieren. Das haben wir sehr intensiv gemacht.

Frage: Zu welchen Ergebnissen sind Sie dabei gekommen?

Markus Blume: Wir haben eine unheimlich starke Substanz als CSU – mit 135.000 Mitgliedern in knapp 2.700 Ortsverbänden und einem sehr erfolgreichen Ministerpräsidenten Markus Söder an der Spitze. Auf diesem Fundament bauen wir auf. Als erstes Zwischenresümee unserer Basistour kann ich feststellen: Unsere Parteibasis ist inzwischen viel weiter als die öffentliche Debatte. Sie hat sich längst eingestellt auf die neue Rolle der CSU und erwartet, dass jetzt ganz einfach die großen Themen angepackt werden: Gesundheit, Pflege, steigende Energiepreise und effektiver Klimaschutz

Frage: Aber wie stellt sich die CSU strategisch auf? Ihre Partei wird in Berlin aller Voraussicht nach nicht mehr Teil der Bundesregierung sein und im Bayerischen Landtag wird Ihnen die neue Bundesregierung quasi als Oppositionsblock gegenübersitzen. Da brauchen Sie doch eine Strategie.

Markus Blume: Die haben wir natürlich. In Berlin werden wir als kraftvolle Opposition auftreten. Da werden wir die Partei des gesunden Menschenverstands sein ...

Frage: ... das sagen von sich selbst auch die Freien Wähler ...

Markus Blume: ... die spielen in Berlin aber keine Rolle und haben ihre Anhänger mit der Impfskepsis von Hubert Aiwanger eher irritiert. Aber jetzt im Ernst: Wer über gesunden Menschenverstand verfügt, wird sich vor allem bei der Bewältigung der Corona-Krise zeigen. Es ist völlig absurd, dass die Ampel am Höhepunkt der Corona-Pandemie die epidemische Notlage für beendet erklären will. Wer kürzlich wie die FDP einen Freedom Day im März fordert, hat offensichtlich den Ernst der Lage nicht erkannt. So etwas zu benennen, ist konstruktiv-kritische Oppositionsarbeit.

Frage: Was gehört noch dazu?

Markus Blume: Wir werden, zweitens, ein Bollwerk gegen die Zentralismus-Ampel sein. Bayern ist das einzige Land, in dem keine der drei Ampel-Parteien mitregiert. Deswegen werden wir der Lord-Siegel-Bewahrer der Länderinteressen in Deutschland sein. Und drittens gilt, was immer schon gilt: Die CSU ist die Partei der fleißigen Leute, die mit ihren eigenen Händen ihren Lebensunterhalt erwirtschaften und sich im Moment viele Fragen stellen: Wie geht es weiter mit dem Euro? Wie sind die steigenden Energiekosten zu bewältigen? Welche Zukunftsaussichten haben wir?

Frage: Sie kritisieren die noch nicht regierende Ampel wegen der Nichtverlängerung der epidemischen Notlage. Meines Wissens hat das noch der aktuelle Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf den Weg gebracht.

Markus Blume: Zuständig dafür ist der Deutsche Bundestag, nicht Jens Spahn. So oder so ist es falsch. Tatsache ist: Wir geben damit wichtige Instrumente in der Bekämpfung der Pandemie aus der Hand. Das ist gerade in der aktuellen Lage brandgefährlich. Während sich die Ampel im Koalitions-Honeymoon befindet, brennt es in vielen Kliniken lichterloh. Es dauert alles zu lange: die Anberaumung des nächsten Bund-Länder-Gipfels ebenso wie die Booster-Impfempfehlung für alle.

Frage: Aber Sie kritisieren damit eine Regierung, die noch gar nicht regiert.

Markus Blume: Das sehe ich anders. Die Mehrheiten im Bundestag haben sich verändert. Nur der neue Bundestag kann Gesetze beschließen. Deswegen kann sich die Ampel ihrer Verantwortung nicht einfach mit dem Hinweis entziehen, dass sie formal noch nicht regiert. Olaf Scholz war in der Corona-Politik über Wochen abgetaucht und sprachlos. Wer Kanzler werden will, muss sich positionieren und zeigen. Das ist kein guter Einstieg für eine neue Regierung.

Frage: Ich würde gerne noch einmal über die künftige Strategie reden. In ihren Gesprächen mit der Basis – was ist denn da mehr rausgekommen, als zu sagen, wir müssen von vorne anpacken? Wenn Politiker sagen, man müsse jetzt nach vorne schauen, ist ja meistens hinten etwas faul. Ist denn das, was zur Wahlniederlage geführt hat, aus Ihrer Sicht schon ausreichend analysiert?

Markus Blume: Wir werden uns damit im Detail noch ausführlicher beschäftigen. Für unsere Basis sind die Dinge aber klar: Die kollektive Intelligenz unserer Mitglieder richtet den Blick nach vorne, setzt auf eine stärkere Profilierung als CSU ebenso wie auf noch mehr Dialog innerhalb der Partei. Wir haben jetzt die Aufgabe, mit der neuen Situation vernünftig umzugehen.

Frage: Da gibt es dann ja eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder man akzeptiert, dass der vielbeschriebene Niedergang der Volksparteien nach der SPD nun auch die Union erfasst hat – dann geht es nur noch darum, sich darauf einzustellen. Oder man hält am Konzept der Volkspartei fest – dann aber muss man erklären, wie man zu großen Mehrheiten zurückkommen will.

Markus Blume: Ich halte den Abgesang auf die Volksparteien für falsch. Selbstverständlich hat sich die Rolle der Parteien völlig verändert. Parteien sind heute – anders als in der Gründungszeit der Bundesrepublik – längst nicht mehr die einzigen Akteure in der politischen Arena. Das macht es schwieriger, die Rolle zu erfüllen, die das Grundgesetz den Parteien zuschreibt, nämlich Meinungen zu diskutieren, zu bündeln und in politische Positionen umzusetzen. Aber wir als CSU haben uns nie von diesem Gedanken verabschiedet. Es gilt unverändert, was Markus Söder 2019 bei seiner Wahl zum Parteivorsitzenden gesagt hat: „Es ist Zeit für neue Stärke.“

Frage: Da haben Sie sich ja etwas vorgenommen bei zuletzt 31,7 Prozent. Wo soll es denn hingehen bei der Landtagswahl in zwei Jahren?

Markus Blume: Für die Landtagswahl ist alles drin. Mit der Modernisierung der CSU sind wir schon einen großen Schritt vorangekommen. Jetzt müssen wir das noch einmal beschleunigen. Wir haben in der CSU ein Inhaltsjahr vor uns. Wir haben einen ganzen Katalog von Foren und Kommissionen eingesetzt, um die Vielfalt und Lebendigkeit der Partei umzusetzen in konkrete Programmarbeit. Wir arbeiten, wenn ich das so sagen darf, an einer neuen Bayernerzählung. Der Freistaat steht ja – auch dank der CSU – blendend da. Die Aufgabe wird sein zu beschreiben, was diesen Freistaat heute ausmacht und wo wir in Zukunft hinwollen.

Frage: Also Bayern gegen den Rest?

Markus Blume: Sie meinen gegen den Ampel-Norden? Jedenfalls stehen wir für Freiheit, Heimat und Hightech  – das ist der Dreiklang, der das moderne Bayern ziemlich gut beschreibt.

Frage: Opposition bringt ja auch Freiheit mit sich. Man kann da endlich mal sagen, was man wirklich will, ohne dass man Rücksicht auf einen Koalitionspartner nehmen muss.

Markus Blume: Wir haben 16 Jahre lang in Berlin regiert, aber leider nie alleine. Da waren immer Kompromisse dabei, sogar manchmal sehr schmerzhafte. Union pur war da nie möglich. Das ändert sich jetzt. Die neue Zeit, die wir uns so nicht gewünscht haben, ist auch eine Chance. Ich setze darauf, dass die Union sich insgesamt über die Länder regeneriert, neuen Schwung holt und neue Kraft tankt, um zur nächsten Bundestagswahl wieder gemeinsam in Bestaufstellung anzutreten.