Seehofer im Interview

Null Toleranz gegenüber Radikalen

CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer hat sich im Interview mit der Rheinischen Post zu den aktuellen Vorkommnissen in Chemnitz geäußert: „An erster Stelle steht ein brutales Tötungsdelikt, das mich aufwühlt. Deshalb stehen die Verurteilung dieser Tat und die Anteilnahme ganz vorne. Zweitens gibt es eine Aufregung und eine Empörung in der Bevölkerung wegen dieses Tötungsdelikts, für die ich Verständnis habe. Ich wäre, wenn ich nicht Minister wäre, als Staatsbürger auch auf die Straße gegangen - natürlich nicht gemeinsam mit Radikalen. Und es gibt – drittens – null Toleranz gegenüber Kräften, die diese Vorkommnisse zum Anlass nehmen, um zu Gewalt aufzurufen oder gar Gewalt auszuüben, auch gegenüber der Polizei. Das ist völlig inakzeptabel, da gibt es keine Schattierungen.“

Keine Toleranz gegenüber Rechtsextremismus

Der Minister machte deutlich, dass der Rechtsstaat kompromisslos gegen Rechtsextremismus vorgehe: „Diese Leute sind nicht mit Diskussionen zu besänftigen. Wir sind nicht auf dem rechten Auge blind.“ Straftaten oder Provokationen müssten entsprechend rechtlich konsequent verfolgt werden. Das gelte auch für Anhänger der AfD, welche in Chemnitz gemeinsam mit Rechtsradikalen demonstriert haben: „Wir schauen genau hin. Nicht nur jetzt, sondern immer. Wenn die Verfassungsschutzbehörden der Meinung sind, die Beurteilung über die AfD hat sich geändert, dann werden sie die AfD beobachten.“

Seehofer stellte fest: „Leider sieht es so aus, dass einer der mutmaßlichen Täter gar nicht erst hätte einreisen dürfen. Wenn wir die Regelung gehabt hätten, für die ich im Frühsommer scharf kritisiert wurde, wäre der tatverdächtige Iraker nicht ins Land gekommen. Er hatte 2016 in Bulgarien bereits einen Asylantrag gestellt und hätte an der Grenze zurückgewiesen werden können. Es war der Höhepunkt der Flüchtlingskrise. Die Frist zur Rücküberstellung wurde verpasst, seine Pässe waren gefälscht. Das sind die Fälle, die uns das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger kosten. Ein Ankerzentrum, wie es sie jetzt gibt, hätte diesen Fall verhindert, weil dieser Mann dort bis zur Abschiebung geblieben wäre. Sachsen hat zwischenzeitlich ein Ankerzentrum.“

Migrationsfrage als politisch wichtigstes Thema

Die Migrationsfrage sei „die Mutter aller politischen Probleme“ in Deutschland. „Das sage ich seit drei Jahren. Und das bestätigen viele Umfragen, das erlebe ich aber auch in meinen Veranstaltungen. Viele Menschen verbinden jetzt ihre sozialen Sorgen mit der Migrationsfrage. Wenn wir den Kurswechsel nicht hinbekommen und die Ordnung der Humanität gleichberechtigt zur Seite stellen, werden wir weiter Vertrauen verlieren. Schon jetzt ist in Sachsen kaum mehr eine Regierung möglich ohne AfD oder Linkspartei. Das ist doch kein akzeptabler Zustand. Wir wollen diese Kräfte in keiner Regierung.“

Ordnung und Begrenzung notwendig

Es sei daher weiterhin die Aufgabe des Innenministers, die Migration zu ordnen und zu steuern: „Dafür habe ich 63 Punkte in einem Migrationsplan vorgelegt. Unter anderem den Punkt, in dem ich mich dafür einsetze, dass jene Asylbewerber, die ein Einreiseverbot haben, auch tatsächlich nicht einreisen können. Und dass jene Asylsuchenden, die bereits in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben, zurückgewiesen werden.“

Darüber hinaus müsse man weiterhin eine europäische Lösung anstreben, so Seehofer: „Diese Lösung ist aber schwer zu erreichen. Nehmen wir als Beispiel das Abkommen mit Italien: Für jeden Flüchtling, den wir in ein Land zurückgeben, sollen wir einen anderen aufnehmen. Das ist ein Nullsummenspiel, das schafft zwar Ordnung, aber keine Begrenzung. Es sind mühsame Verhandlungen. Was wir unbedingt brauchen ist eine gesamteuropäische Lösung für das Migrationsproblem.“

Kein Spurwechsel

Seehofer erteilte den Plänen der SPD, Asylbewerber trotz Ablehnung in den Arbeitsmarkt zu integrieren, eine klare Absage: „Einen Spurwechsel wird es nicht geben. Wer Asyl beantragt und ein Bleiberecht bekommt, ist arbeitsberechtigt. Wer Asyl beantragt und eine Ablehnung erhält, ist ausreisepflichtig. Diesen Grundsatz wollen wir nicht verändern. Wenn wir denjenigen ein Bleiberecht geben, die eine Arbeit aufnehmen, dann können wir uns das ganze Asylverfahren schenken. Es gibt die Fälle, wonach jemand zwar abgelehnt wird, es aber Gründe gibt, dass er nicht abgeschoben werden kann. In diesen Fällen ist es besser, die Leute arbeiten zu lassen, statt sie nichts tun zu lassen. Möglich ist auch, dass ein unbegleiteter Minderjähriger eine Lehre beginnt. Er darf seine Ausbildung beenden und dann noch zwei weitere Jahre im Betrieb arbeiten - die Drei-plus-zwei-Regelung. Das habe ich immer befürwortet, weil es für alle Beteiligten von Vorteil ist, wenn ein junger Mensch eine Ausbildung hat.“