Kreisverband Freyung-Grafenau

CSU-Kreistagsfraktion diskutiert über Kinder- und Jugendpsychiatrie

Steigende Fallzahlen, schwerere Fälle und eine schwierige Personalsiuation

Referierten bei der CSU: Dr. Roland Ebner, Oberarzt an der Institutsambulanz und Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Deggendorf Dr. Burkhard Wolff, Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik mit Tagesklinik in Passau (von links).

Deggendorf/Waldkirchen: Bei der Klausurtagung der Kreistagsfraktion der Christlich-Sozialen Union (CSU) hat Bezirkstagspräsident und CSU-Kreisvorsitzender Dr. Olaf Heinrich zwei Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie als Referenten eingeladen. Die beiden erfahrenen Oberärzte berichteten aus ihrem klinischen Alltag, von den wachsenden Fallzahlen und dem Bedarf eine wohnortnahe Patientenversorgung Schritt für Schritt auszubauen.

Dr. Roland Ebner, Oberarzt an der Institutsambulanz und Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Deggendorf ist seit vielen Jahren Beschäftigter des Bezirks Niederbayerns und Leiter der Ambulanz am Donau-Isar-Klinikum. Er berichtete davon, dass seine Einrichtung mit 36 Mitarbeitern auch deshalb den Betrieb sicherstellen könne, „weil der Bezirk ein außergewöhnlich entgegen kommender, familienfreundlicher Arbeitgeber ist“. So seien die meisten Mitarbeiter in Teilzeit tätig, auch die Rückkehr von Ärzten und Ärztinnen in der Elternzeit in Teilzeit würde vom Arbeitgeber zugelassen. Er unterstrich eindrucksvoll, dass die Gewinnung von Fachärzten, aber auch von Psychotherapeuten, die zentrale Herausforderung für die Fortentwicklung der kinder- und jugendpsychiatrischen Angebote im Bezirk sei. „Außerhalb der Ballungsräume mangelt es sowohl an Fachärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie als auch an Kinder- und Jugendtherapeuten, sowohl in der Praxis als auch in der Klinik.  

So gibt es in den Landkreisen Freyung-Grafenau und Regen keine Kinder- und Jugendpsychiater und viel zu wenige Kinder- und Jugendpsychotherapeuten. Es wäre sehr wünschenswert, dass sich insbesondere in den Landkreisen Regen und Freyung-Grafenau weitere Kollegen niederlassen und eine wohnortnahe Patientenversorgung sicherstellen“. Dr. Ebner stellte heraus, dass ein niedergelassener Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut bei „sehr engagierter Vollzeitarbeit“ nicht mehr als rund 30 bis 40  junge Patienten betreuen könne. Dies mache deutlich, wie hoch der Druck auf die psychiatrischen Institutsambulanzen sei, die einen Teil der Patienten auffangen müssten, für die es keine lokalen Fachärzte und Kinder- und Jugendlichentherapeuten gibt. 

Monatelange Wartezeiten

Auch der Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik mit Tagesklinik in Passau, Dr. Burkhard Wolff, berichtete von einer unglaublichen Nachfrage nach Behandlung. „Es ist eine unbefriedigende Situation für einen Arzt, wenn er Patienten monatelang auf die Warteliste setzen muss. Oftmals ist es auch so, dass die Anschlussbehandlung, die ambulant und im Anschluss an den Klinikaufenthalt erfolgen sollte, gar nicht stattfinden kann, weil es vor Ort kein Angebot gibt“, so Dr. Wolff. Angesichts weiterhin

niederbayernweit steigender Fallzahlen begrüßten die beiden leitenden Ärzte die Entscheidung des Bezirks Niederbayern am Standort in Passau auch stationäre Betten für die Kinder- und Jugendpsychiatrie einzurichten und das Bezirkskrankenhaus deutlich zu erweitern. Sie verwiesen gleichzeitig darauf, dass der Betrieb dieser Betten nur sichergestellt werden könne, wenn frühzeitig Lösungen gefunden würden, um das erforderliche Fachpersonal zu gewinnen. „Dies fällt uns in Passau deutlich schwerer als beispielsweise  in Großstädten wie z.B. in München oder in Landshut“, so Dr. Burkhard Wolff

Kinder brauchen Zuwendung in der Familie 

Die CSU-Kreistagsfraktion diskutierte nach dem Vortrag intensiv darüber, woher der steigende Bedarf an psychiatrischen Behandlungen im Jugendbereich komme. „Kinder brauchen liebevolle Zuwendung und gleichzeitig klare Strukturen. Dies ist in vielen Familien heute leider nicht mehr selbstverständlich. Dazu kommt, dass mehr und mehr Kinder sehr frühzeitig in Betreuungseinrichtungen gebracht werden. Die so notwendige innige Bindung zu einer Bezugsperson kann dadurch nicht so entstehen wie sie notwendig wäre“, erläuterte Oberarzt Dr. Ebner. Er hält deswegen finanzielle Anreize des Staates und familienfreundliche Arbeitsbedingungen, die es Müttern und Vätern ermöglichen, mindestens die ersten 18, besser 24 Monate, ihr Kind selber zu betreuen, für „hervorragende Investitionen, da sie die Wahrscheinlichkeit einer psychischen Erkrankung im weiteren Leben deutlich reduziere“. Diese Aussage verband Ebner mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, dass die Diskussion nicht dazu genutzt werden solle, nach dem Motto „Frauen zurück an den Herd“ zu argumentieren. Er hält vielmehr das schwedische Modell, wonach genauso auch die Väter über längere Zeit zuhause die Kinderbetreuung übernehmen, für richtig und wünschenswert.

Heinrich: Riesengewinn für Waldkirchen

Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich unterstrich in der Diskussion die Notwendigkeit einer eigenen psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) im Landkreis Freyung-Grafenau. Dieser gehöre zu den unterversorgten Regionen in Niederbayern, in denen es kaum möglich sei, niedergelassene Fachärzte und Jugendlichentherapeuten zu finden.

Für die Stadt Waldkirchen, den Landkreis und insbesondere für die betroffenen Familien werde die PIA „ein riesiger Gewinn“. Der Bezirkstagspräsident bezeichnete die Entscheidung des niederbayerischen Bezirkstags, in den Landkreisen Freyung-Grafenau, Regen, Rottal-Inn und Kelheim mittelfristig psychiatrische Institutsambulanzen einzurichten als „richtungsweisend und auch ökonomisch höchst sinnvoll“. Zwar sei es für den Bezirk als Träger nahezu unmöglich, die psychiatrischen Institutsambulanzen wirtschaftlich zu betreiben, gleichzeitig würde durch eine frühzeitige, ambulante Behandlung vor Ort den Kindern und Jugendlichen geholfen und damit oftmals ein stationärer Aufenthalt und eine weitere Verschlechterung der gesundheitlichen Situation verhindert. 

Standortqualität herausstelle

Bezüglich der Planungen in Waldkirchen betonte Heinrich: „Auf der Suche nach den dringend benötigten Mitarbeitern muss es nun gelingen die großen Vorzüge des Standorts im Landkreis Freyung-Grafenau deutlich zu machen. Wer als Mitglied des Teams der psychiatrischen Institutsambulanz für Kinder und Jugendliche in Waldkirchen arbeitet, muss weder Schichtdienst leisten noch an Wochenenden Dienst tun. Gleichzeitig wird es eine enge Anbindung an die etablierte, durch Herrn Dr. Wolff hervorragend geführte Klinik in Passau geben. Diese Rahmenbedingungen in Verbindung mit der hohen Lebensqualität des Bayerischen Waldes müssen in meinen Augen die zentralen Argumente bei der Suche nach Mitarbeitern für Waldkirchen sein“, so Heinrich.