Ortsverband Dachau

Interview mit Bernhard Seidenath, MdL

Saatkrähen: Änderung der Vogelschutzrichtlinie ist der Königsweg

CSU-Ortsvorsitzender Tobias Stephan und MdL Bernhard Seidenath präsentieren die Aktionspostkarten

Bayern startete Bundesratsinitiative, um den Schutzstatus von Saatkrähen zu senken: „Erfolg der Dachauer Bemühungen, wir sind aber noch nicht am Ziel“
Gespräch zwischen dem Landtagsabgeordneten für den Stimmkreis Dachau, Bernhard Seidenath (BS), und dem CSU-Ortsvorsitzenden und Stadtrat Tobias Stephan (TS):

TS: Seit einiger Zeit setzt sich die CSU in Dachau und die CSU-Stadtratsfraktion vehement dafür ein, der massiven Saatkrähenproblematik, ja -plage, die wir etwa rund um den Bahnhof beobachten können, Herr zu werden. Unglaublich viele haben bei unserer Unterschriftenaktion mitgemacht. Wie wird diese Problematik in München, auf der Ebene des Freistaats, gesehen?

BS: Dachau ist leider kein Einzelfall. Beobachtungen wie in Dachau hinterm Bahnhof oder in der Altstadt lassen sich inzwischen an vielen Orten Bayerns machen. Mein Mahnen und Insistieren, dass hier etwas passieren muss, ist deshalb schnell auf fruchtbaren Boden gefallen. Die CSU-Landtagsfraktion hat sich dieses Themas – zusammen mit dem Koalitionspartner – angenommen und die Staatsregierung dazu aufgefordert, sich mittels einer Bundesratsinitiative für eine Herabstufung des Schutzstatus der Saatkrähe einzusetzen (Beschluss des Bayerischen Landtags vom 13.12.2022, LT-Drs. 18/25721, die Ausgangs-Drucksache 18/24325 datierte vom 6. Oktober 2022).

TS: Waren sich die Fraktionen im Landtag hier alle einig?

BS: Der federführende Landtags-Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz hat den Antrag am 10. November 2022 beraten und ihm mehrheitlich zugestimmt. Die FDP hat – zusammen mit CSU und FW - für ihn gestimmt, Bündnis 90/Die Grünen aber dagegen. SPD und AfD haben sich der Stimme enthalten. In den mitberatenden Ausschüssen für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gab es am 29. bzw. 30. November 2022 dasselbe Stimmungsbild. So ist es auch auf der Beschluss-Drucksache 18/25567 nachzulesen.

TS: Was ist nun seither passiert?

BS: In Ausführung dieses Landtags-Beschlusses hat der Bayerische Ministerrat nun am 14. Februar eine Bundesratsinitiative beschlossen, mit der die Ampelregierung auf Bundesebene aufgefordert werden soll, den Schutzstatus von Saatkrähen zu senken. Ziel ist es, dass die Saatkrähe in Deutschland in die Liste der jagdbaren Arten aufgenommen wird und bejagt werden darf – so wie dies in anderen europäischen Ländern längst üblich ist. Genauer betrachtet: Der Bundesrat soll den Bund auffordern, auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, dass die Saatkrähe auch für Deutschland in die Liste der jagdbaren Arten nach Artikel 7 Absatz 3 i. V. m. Anhang II/B der EUVogelschutzrichtlinie aufgenommen wird. Damit könnte auch in Deutschland bzw. Bayern die Bejagung von Saatkrähen zugelassen werden, wie es u. a. in Frankreich, Schweden und der Slowakei bereits möglich ist. Mit der geplanten Bundesratsentschließung wird daher eine Änderung der EU-Vogelschutzrichtlinie angestrebt. Ehrlicherweise sei gesagt, dass nicht klar ist, ob dieser Antrag aus Bayern dann in den jeweiligen Ausschüssen des Bundesrats eine Mehrheit bekommen wird.
(Aktuelle Anmerkung: Leider hat der Bundesrat am 31. März diese Initiative des Freistaats Bayern abgelehnt!)

TS: Angesichts der Tatsache, dass Saatkrähen hierzulande praktisch keine natürlichen Feinde haben und sich deshalb in den vergangenen Jahren ungebremst vermehren konnten, ist dies relativ wenig.

BS: Ja, leider. Deshalb plädiert die CSU-Landtagsfraktion schon lange dafür, zweigleisig zu fahren: das Recht auf Bundes- und europäischer Ebene zu ändern – aber auch in Bayern schon jetzt zu machen, was möglich ist. Denn die Schäden durch Saatkrähen sind derart erheblich, dass ein Abwarten seitens des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) und lediglich das Starten einer Bundesratsinitiative zu wenig ist, um das Problem zu lösen. Nach den Maßgaben des Bundes-Naturschutzgesetzes hat der Freistaat nach meiner und unserer Auffassung bereits die Möglichkeit, eine örtlich begrenzte Entnahme anzuordnen. Die hierfür nötigen Voraussetzungen liegen ganz klar vor: die Schäden sind sehr ernst, Alternativen zur Bejagung stehen nicht zur Verfügung und der Erhalt der geschützten Art bzw. der günstige Erhaltungszustand wird durch eine Entnahme in Problemregionen nicht negativ beeinflusst.

TS: Was sagt das Bayerische Umweltministerium dazu?

BS: Es betont, dass es sich der Problematik bewusst sei. Neben der Initiierung der Bundesratsentschließung will es die schon bestehenden Entnahmemöglichkeiten und damit auch die Möglichkeit einer begrenzten örtlichen Entnahme „rechtlich aufbereiten und fachlich prüfen“. Der Königsweg aber sei die angestrebte Änderung der Vogelschutzrichtlinie, denn damit werde nicht nur eine selektive Einzelentnahme, sondern eine Bestandsregulierung der Saatkrähenpopulationen allgemein ermöglicht.

TS: Die CSU-Dachau und die CSU-Landtagsfraktion sind da gleicher Meinung. Gut ist, dass sich jetzt auf Bundes- und Europa-Ebene etwas tut. Aber auch vor Ort müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen. Sonst werden wir dem Problem nicht Herr. Und wir müssen nun rasch handeln!

BS: Völlig richtig: Denn eine Vergrämung, die erlaubt ist und die wir seit längerem versuchen, ist komplett erfolglos geblieben. Schon seit Jahren nehmen in Bayern die von Saatkrähen verursachten Schäden massiv zu – auch und gerade die Landwirtschaft, die bei Aussaat und Obsternte teils erhebliche Verluste zu beklagen hat, leidet unter der Vogelplage. Die Maßnahmen zur Vergrämung der Vögel haben dabei das Problem nur verlagert, teilweise sogar verschärft. Denn die Tiere haben sich neue Brutplätze gesucht und dort große Kolonien gebildet. Zum Teil haben sich die Populationen so aufgeteilt, neue Kolonien sind entstanden, wodurch die Belästigungen mancherorts sogar verstärkt wurden. Betroffen sind nicht nur ländlich geprägte Regionen, sondern auch besiedelte Gebiete. Dort machen sich die Krähen an Mülleimern, Fensterverklebungen oder Komposthaufen zu schaffen. Auch ihr Geschrei und ihre Hinterlassenschaften sind für Anwohner häufig eine unzumutbare Belastung.

TS: So oder so: Wir brauchen ein entschlossenes Vorgehen und müssen alle Register ziehen!

BS: Volle Zustimmung. Sowohl auf kommunaler als auch auf Landesebene werden wir hier nicht nachlassen und dieses Problem weiter Hand in Hand und in enger Abstimmung angehen!

Die Postkarte zur Saatkrähen-Aktion der CSU-Dachau - Haben Sie schon unterschrieben?

Infobox Saatkrähen

  • Die Saatkrähe gehört als europäische Vogelart gem. § 7 Abs. 2 Nr. 13 Buchst, b) bb) des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) i.V.m. Art. 1 der der Richtlinie 2009/147 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (EU-Vogelschutzrichtlinie) in Deutschland zu den besonders geschützten Tierarten. Es gelten damit die besonderen Artenschutzbestimmungen der §§ 44 ff. BNatSchG, von denen seitens der Bundesländer nicht abgewichen werden darf. Ausnahmen von den Schutzvorschriften können durch die Regierung als höhere Naturschutzbehörde und nur unter den engen Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 S. 1 und 2 BNatSchG zugelassen werden. Es muss stets ein Ausnahmegrund vorliegen, es dürfen keine zumutbaren Alternativen gegeben sein und der Erhaltungszustand der Populationen einer Art darf sich nicht verschlechtern. In atypischen Fällen ist eine Befreiung wegen unzumutbarer Belastung nach § 67 Abs. 2 BNatSchG möglich.
  • Die Population der Saatkrähe (Corvus frugilegus) steigt in Bayern an. 2022 wurde auf dem Gebiet des Freistaats ein Bestand von insgesamt 17.075 Brutpaaren ermittelt und es konnten 438 besetzte Saatkrähenkolonien erfasst werden. Der mittlere Zuwachs der Bestandszahlen beträgt seit 2008 jährlich 8,5 %. Die Saatkrähe ist eine regional verbreitete Art. Den größten Saatkrähenbestand hält Oberbayern mit 7.785 Brutpaaren, gefolgt von Schwaben mit 7.095 Brutpaaren. Deutschlandweit ist, wie etwa der letzte EU-Vogelschutzbericht Deutschlands zeigt, ein Anstieg der Bestände festzustellen. Zudem ist in der aktuellen Roten Liste der Brutvögel Deutschlands die Saatkrähe als ungefährdet klassifiziert.
  • Neben den Konflikten mit der Bevölkerung im Siedlungsbereich sind Schäden in der Landwirtschaft in bestimmten Regionen Bayerns festzustellen, in denen sich größere Mengen von Saatkrähen aufhalten. Solche lokalen Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen finden vor allem im Maisanbau statt; etablierte Vergrämungsmaßnahmen erbringen dort oftmals keinen Erfolg.
  • Nach Auffassung des Umweltministeriums ist eine Bestandsregulierung der Saatkrähenpopulation zur Reduzierung der Konflikte und Schäden allein durch Entnahmen aufgrund der derzeitigen europarechtlichen Vorschriften in Deutschland und damit auch in Bayern nicht möglich. Die bisherigen etablierten Maßnahmen des Saatkrähenmanagements in Bayern, die auch örtlich und gemeindeübergreifend abgestimmt und geplant werden, reichen nicht aus, um Konflikte zufriedenstellend zu lösen.