Ortsverband Hammelburg

Abendseminar

Heimatgefühl stärken

Bevölkerungsschwund: Mit ausgeklügeltem Binnenmarketing Abwanderung stoppen.

Die Geburtenrate sinkt und infolgedessen schrumpft auch Hammelburg in den kommenden Jahren weiter. Diesem Thema widmete sich ein Abendseminar der Hanns-Seidel-Stiftung. Für viele der rund 40 Zuhörer im Schulungsraum des Feuerwehrgerätehauses kamen einige Zahlen überraschend.

Referent Steffen Vogel (Theres) hatte herausragende Merkmale der Bevölkerungsstatistik aufbereitet. Wobei deutlich wurde, dass an einem Bundeswehrstandort einige Sonderfaktoren eine längere Analyse erfordern würden.

Um dem Schrumpfungsprozess entgegenzuwirken, wartete der Rechtsanwalt mit provokanten Schlussfolgerungen auf. "Kommunalpolitiker sollten sich auf jene Faktoren konzentrieren, die sie maßgeblich beeinflussen können." Auf kurze Sicht seien dies nicht Geburtenrate und Arbeitsplatzangebot. "Wenn sich ein neuer, großer Arbeitgeber in einer Gemeinde niederlässt, dann ist das heute eher Zufall", resümierte Vogel.

Und: Die oft geforderte Schaffung von qualifizierten Arbeitsplätzen stoße auf dem Land schnell an ihre Grenzen, zeigte Vogel am Beispiel eines studierten Chemikers auf. Für ihn werde es in Hammelburg wohl kaum einen Arbeitsplatz geben. Die Bildungswanderung sollte aber nicht überbewertet werden. In einer Stadt wie Hammelburg gebe es maximal 100 Gymnasiasten im Jahr.

Stärkste Einflussmöglichkeit sieht Vogel bei den Zu- und Wegzügen: 2009 seien von Hammelburg 512 Einwohner weggezogen, zugezogen dagegen nur 476. "Gelänge es, die Wegzüge um 20 Prozent zu drücken, gäbe es schon einen Überschuss", führte Vogel vor Augen.

Um dies zu erreichen, müsse an den "weichen" Standortfaktoren gearbeitet werden. Durch Emotionen für die Heimat könnte es gelingen, mehr Menschen am Ort zu halten. Weitere Fahrten zum Arbeitsplatz würden in Kauf genommen, wenn man sich am Wohnort wohlfühle.

Der Referent regt ein ausgeklügeltes Binnenmarketing an. Einheimischen sollten alle gemeinschaftsstiftenden Angebote und Beratungsmöglichkeiten vor Ort stärker bewusst gemacht werden. Außerdem plädierte er für einen Ideenwettbewerb aller Kommunen untereinander. Wirkung könnten Begrüßungspakete für Neugeborene und Baulandzuschüsse für junge Familien zeigen. "Warum besucht der Bürgermeister die 75-Jährigen und 80-Jährigen zum Geburtstag und schaut nicht bei den Eltern mit Neugeborenen vorbei?", fragte Vogel in die Runde. Ein Babystrampler mit Stadtwappen als Geschenk könnte Identifikation mit der Heimat stiften. Nicht anders funktioniere das bei Fußballclubs. Die Initiative für einen generationenfreundlichen Landkreis geht Vogel nicht weit genug. Sie verlagere das Thema von den Gemeinden weg.

Nicht zu vernachlässigen sei die Alterswanderung, sagte Vogel. Senioren drohten wegzuziehen, wenn es kein Ärzte- und Betreuungsangebot gibt. Vorteilhaft wäre es, die Wohngebiete generationenmäßig zu durchmischen.

Etwas enttäuscht von dem Vortrag waren jene Zuhörer, die etwa harte Fakten zur Zukunft von Stadtteilfeuerwehren oder Kindergärten bei schrumpfenden Bevölkerungszahlen hören wollten. Ein Diskussionsteilnehmer vermisst Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche, wie etwa eine Diskothek.

Dritte Bürgermeisterin Elisabeth Wende sieht die Stadt Hammelburg dagegen dank ehrenamtlichen Engagements, Schulen und Vereinen gut aufgestellt und verwies auf finanzielle Grenzen. Einrichtungen wie Schwimmbad und Bibliothek finanziere die Stadt auch für die Umlandgemeinden mit. Sie engten die Spielräume für zusätzliche Aktionen ein.

In den letzten Jahren ist die Stadt Hammelburg von rund 12 100 Einwohnern um 630 geschrumpft. Gab es 1960 noch 262 Geburten, so waren es im Jahr 2009 nur noch 85. Nicht eine Überalterung sei das Problem, sondern eine "Unterjüngung", so Referent Steffen Vogel. War 1960 noch jeder dritte Hammelburger unter 18 Jahren, so war es 2009 nur noch jeder sechste. Landkreisweit sanken die Geburten von 1000 im Jahr 2000 auf 733 im Jahr 2009 (Minus 27 Prozent). Das stärkste Bevölkerungswachstum im Landkreis verzeichneten seit 1990 Fuchsstadt (plus 37 Prozent) und Oberthulba (plus 35 Prozent). Bundesweit gibt es innerhalb von drei Generationen zwischen 1950 und 2025 nur noch halb so viele Mütter, was den Schrumpfungsprozess beschleunigt.