Bezirksverband Unterfranken

Nach 60 Jahren: Wie einflussreich ist das CSU-Frauen-Netzwerk?

Vor 60 Jahren, am 23. Februar 1957, gründete die spätere Würzburger Landtagsabgeordnete Margarete Balk die Frauen-Union der CSU Unterfranken mit 150 Mitgliedern. Heute sind 2130 Frauen im Bezirksverband aktiv, der am Samstag in Aschaffenburg sein Jubiläum feiert. Bayernweit ist das Netzwerk mit 24 000 Mitgliedern die größte Arbeitsgemeinschaft in der CSU. Wofür sie sich einsetzt und wozu man 2018 noch eine Frauen-Union braucht, darüber sprach die Redaktion mit der Bundestagsabgeordneten Anja Weisgerber aus Schweinfurt.

Frage: Wie haben sich die Ziele der Frauen-Union in 60 Jahren verändert?

Anja Weisgerber: Seit Beginn standen christliche Werte und die Familienpolitik im Vordergrund. In den 50er-Jahren ging es vor allem um Verbesserungen für Kriegshinterbliebene, Mitte der 60er kam die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hinzu, in den 70ern die Themen Alleinerziehende und der Paragraf 218, in den 80ern die Frauenförderung in politischen Ämtern und in den 90ern die Wiedervereinigung und EU-Integration.

Beschränkt sich die Frauen-Union heute auf Kinder- und Familienthemen?

Weisgerber: Nein. Wir mischen uns in alle gesellschaftspolitischen Themen ein und stehen dort unsere Frau. Ich bin zum Beispiel im Umwelt- und Baubereich zu Hause. Andere machen Innen- Rechts- oder Bildungspolitik.

Seit 2005 haben wir eine Bundeskanzlerin. Wofür braucht es da noch die Frauen-Union?

Weisgerber: Frauen können in wichtige Positionen vorrücken. Wir haben viel erreicht. Trotzdem brauchen wir die Frauen-Union als Netzwerk und inhaltlich gestaltende Kraft. Wir haben einen unglaublichen Fundus an Themen, den Mandatsträgerinnen durch die Frauen-Union in die Partei einbringen.

Ein Beispiel, bitte!

Weisgerber: 2013 haben wir eine Kampagne zur Mütterrente gestartet und Horst Seehofer bei einem Rentenkongress mit 27 000 Unterschriften überrascht. Ohne uns stünde das Thema nicht im CSU-Wahlprogramm und auch nicht im Regierungsprogramm.

Müttern mit drei und mehr Kindern, die vor 1992 geboren wurden, sollen drei Entgeltpunkte bei der Rente angerechnet werden. Degradieren Sie damit nicht Frauen mit weniger Kindern zu Müttern zweiter Klasse?

Weisgerber: Als Folge unserer Kampagne 2013 war es schon mal ein großer Erfolg, dass wir den zweiten Rentenpunkt für alle Mütter durchgesetzt haben. Für die Berechtigten bedeutet das seit 2014 rund 30 Euro pro Kind mehr im Monat. Die Einigung im Koalitionsvertrag zum dritten Mütterrentenpunkt ist ein Kompromiss. Natürlich hätten wir gerne drei Rentenpunkte für alle Mütter, aber dem hat der Koalitionspartner nicht zugestimmt. Dennoch es ist ein wichtiger Schritt.

Wo trägt der Koalitionsvertrag noch die Handschrift der Frauen-Union?

Weisgerber: Das Baukindergeld, die Kindergelderhöhung, die Verbesserung der Nachmittagsbetreuung von Kindern im Grundschulalter: Vieles im Familienpaket trägt die Handschrift der Frauen-Union.

Im Vergleich zu anderen Parteien ist die CSU weit abgeschlagen, wenn es um Frauen in Führungspositionen geht. Kann sich die Frauen-Union nicht durchsetzen?

Weisgerber: In Unterfranken ist das anders: Drei von fünf Bundestagsabgeordneten sind Frauen: Dorothee Bär, Andrea Lindholz und ich. Zudem haben wir Barbara Stamm als Landtagspräsidentin. Bei den Landtagswahlen treten in zwei Stimmkreisen Frauen an. Und auf kommunaler Ebene sind viele Frauen in Führungspositionen. Das liegt auch an unserem Mentoring-Programm, das hier seit 2010 besonders intensiv und häufig durchgeführt wird. Erfahrene Mentorinnen motivieren Jungpolitikerinnen, Führungsfunktionen zu übernehmen: Sonja Reubelt, die Jüngste, ist jetzt Bürgermeisterin von Sandberg in der Rhön, Rosalinde Schraud und Birgit Börger von Estenfeld und Prosselsheim.

Welche sind die größten Hürden für junge Politikerinen?

Weisgerber: Auch in der Politik müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, den Beruf mit dem Familienleben zu vereinbaren.

Braucht Frau einen Hausmann, um ein politisches Amt zu übernehmen?

Weisgerber: Nein, ich bin das lebendige Beispiel. Mein Mann ist Physikprofessor. Doch wir haben familiäre Unterstützung und eine gute Nachmittagsbetreuung in Kindergarten und Grundschule. Auch dafür hat sich die Frauen-Union eingesetzt.

Viele berufstätige Mütter in größeren Städten wie Würzburg merken davon nichts...

Weisgerber: Es ist ein Prozess. Rita Süssmuth hat sich für den Rechtsanspruch auf Kindergärten eingesetzt. Ursula von der Leyen für die Betreuung der unter Dreijährigen. Jetzt müssen wir uns um die Nachmittagsbetreuung der Grundschulkinder kümmern.

Die CSU verbindet man aber nicht mit einem Familienbild, bei dem die Mutter ganztags arbeitet – oder doch?

Weisgerber: Wir wollen nicht, dass sich Frauen gegenseitig wegen ihrer Lebensmodelle angreifen. Auch die Frau, die sich entscheidet, fünf Jahre bei ihrem Kind zuhause zu bleiben, muss die gleiche Wertschätzung von der Gesellschaft erhalten wie die Frau, die ganztags arbeitet. Wir wollen Wahlfreiheit. Darin unterscheiden wir uns von anderen Parteien.

Wie stehen Sie zur Frauenquote?

Weisgerber: Früher habe ich die Frauenquote abgelehnt. Doch die Jahre haben mir gezeigt, dass es schwierig ist, allein über Mentoring-Programme Frauen in Führungspositionen zu bekommen, ohne ein Instrument, das das Ganze unterstützt. 2010 haben wir für Bezirksvorstände und den Parteivorstand die Frauenquote eingeführt. Jetzt haben wir drei Frauen als stellvertretende Parteivorsitzende.

Wie weit ist es noch bis zur Ministerpräsidentin?

Weisgerber: Ilse Aigner ist eine hervorragende Ministerin. Die Entscheidung ist aber für Markus Söder gefallen. Er wird ein guter Ministerpräsident. Ich wehre mich dagegen, die Frage auf das Geschlecht zu reduzieren.

Artikel aus der Main-Post (www.mainpost.de) vom 08. März 2018