EAK Landesvorsitzender Christian Schmidt

Redebeitrag zur Orientierungsdebatte zum Thema Suizidhilfe

Anlässlich der Orientierungsdebatte zum Thema "Suizidassistenz" hat Bundesminister a.D. Christian Schmidt MdB, am 21.04.201 im Deutschen Bundestag gesprochen.

Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
 
Höchstpersönliche Entscheidungen und Wege zu kategorisieren und zu objektivieren ist eine gesetzgeberische Herausforderung par excellence.

Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen. Das Bundesverfassungsgericht hat in den Mittelpunkt seines Urteils den freien Willen jedes einzelnen Menschen gestellt. Komme er zu einer autonomen Entscheidung sei seine Entscheidung auch zum Suizid zu respektieren. Befördern muss der Staat ihn nicht, unmöglich machen darf er ihn aber auch nicht. Auf diese grundsätzliche Erwägung muss man aber auch in einem größeren Werterahmen antworten. Wir können und dürfen nicht unsere gesetzgeberische Aufgabe nur darin sehen, sozusagen ein „Suiziderleichterungs und Begleitgesetz“ dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nachzusenden.

Wir haben bei allem Respekt vor der freien Entscheidung des Einzelnen die gemeinsame Aufgabe, ein schützendes Konzept hin zum Leben zu schaffen und diese schwersten aller Entscheidungen, die denkbar sind, nicht noch gesellschaftlich zu befördern. Davon zu unterscheiden ist die Aufgabe wie der Rahmen für die nicht geschäftsmäßige Unterstützung eines Suizidwilligen zu setzen ist.

Es gibt keinen Anspruch auf quasi staatliche Unterstützung. Der Staat darf „nur" nicht verunmöglichen. Das heißt, dass Ärzte und lebenserfahrene Menschen schon auch mit dem Suizidwilligen prüfen dürfen, ob dieser Wille wirklich frei gebildet ist oder Zwänge von außen auf den Betreffenden einwirken oder ob seine Entscheidung in Kenntnis von Alternativen (Behandlung psychischer Erkrankungen oder Palliativmedizin) getroffen werden konnte.

Solch eine schwierige Aufgabe muss auch sehen, inwieweit ein Sterbewunsch eben doch von einer entsprechenden soziokulturellen Mainstream Umwelt befördert wird, sozusagen, weil man das eben so machen kann oder auch sollte. Natürlich ist das alles schwer herauszufinden und schon jetzt mag man niemanden beneiden, der in konkreten Situationen verbindliche Prognosen abgeben muss Ist dagegen dann ein Klageweg zu eröffnen?

Vorsicht, wir müssen hier auch ein en geschützten Raum halten, in dem das Innerste eines Menschen nicht zu Markte getragen wird. Öffentlichkeit hat dabei nichts zu suchen, Verbindlichkeit und Respekt schon. Das wird eine gesetzgeberische Herausforderung.

Wenn wir uns aber nur darauf konzentrieren, das Zustandekommen des Willens des Einzelnen zu prüfen, sind wir Stückwerker und vergessen das, was lange vor solch einer Entscheidung liegt. Wir hören, dass selbst die Möglichkeit, beim Suizid Unterstützung straffrei bekommen zu können, an der Entscheidung derjenigen, die sich ggf. oft kurzfristig vornehmen, sich vor den Zug zu werfen oder alleine auf den Dachboden zu gehen, an ihrer

Entscheidung nichts ändert. Da bleibt dann oft nur für die Familie, die Umgebung und die, die den Selbstmörder kannten, die schwierige Frage: haben wir Signale, haben wir Hilferufe in gewissen Lebenskrisen überhört? Da

bleibt aber oft auch die Erkenntnis, dass es vielleicht eine latente Bereitschaft gegeben hat, sonst aber nichts. Und es zeigt sich, dass oft ein konkret es Ereignis oder auch nur ein Anlass diesen Schritt determiniert haben.

Schon deswegen muss unser Schutzkonzept umfassen, dass wir keine suizidermutigende Umwelt zulassen. Wir müssen sehr darauf achten, dass kein Werther Syndrom oder ein Enke Syndrom entstehen kann. Gesellschaftlich allgemein und für vulnerable Gruppen allgemein müssen wir sozusagen spezial und generalpräventive Konzepte nicht nur diskutieren, sondern umsetzen.

Wir müssen Räume der klaren Ablehnung zulassen beispielhaft darf man keiner Einrichtung der Alten und Krankenpflege sozusagen eine Pflicht zum Angebot zur Suizidhilfe auferlegen wenn die Malteser oder andere Träger entsprechender Einrichtungen keine Suizid Zimmer einrichten und keine Flüssigkeitsüberbringer mit Giftfläschchen ins Haus lassen wollen, so muss das möglich sein im besten Sinne. Ich denke, dass wir auch noch mehr präventiv für ein Denken und Handeln im Sinne einer Hilfe zum Leben ohne Bevormundung, aber als positive Angebotspolitik unterstützen müssen. Daneben muss es auch Ermutigung zur Freude, zur Helligkeit und damit zum Leben geben das werden aber Gesetze nicht erreichen können.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bedarf einer selbstbewussten gesellschaftlichen stabilen Antwort, die der Gesetzgeber, aber auch wir alle gestalten müssen. Ich danke Ihnen!

Hier können Sie sich die Rede auch ansehen:
https://dbtg.tv/cvid/7516540