Kreisverband Erding

Reiters unverständliches Beharren

Maskenpflicht für Münchner Grundschulkinder

Foto: Robert Michael/dpa
Noch nie waren so viele Covid 19 Patienten in Intensivbehandlung

Kommentar in der SZ vom 10.11.2020

Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter erweckt den Eindruck, das Corona-Virus mache an den Türen von Grundschulen Halt. Damit emotionalisiert er das hoch emotionale Thema Maskenpflicht weiter.

Wie kann man wissen, wie viele Grundschüler in München mit dem Coronavirus infiziert sind? Indem man sie alle testet. Dass das kaum möglich ist, dürfte einleuchten. Trotzdem sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) vor ein paar Tagen, dass aktuell genau neun von 47 000 Jungen und Mädchen Corona-positiv seien - und dass sie sich alle nicht in der Schule infiziert hätten. Dabei bezeichnet das Gesundheitsamt das Infektionsgeschehen in München seit Wochen als "sehr diffus". Reiters Aussage erscheint also mindestens gewagt, sein Beharren unverständlich.

Hinter all dem stehen die Fragen, ob es jüngeren Kindern zuzumuten ist, im Unterricht am Platz eine Maske zu tragen, und ob das sinnvoll ist. Zweifelsohne sehr emotionale Fragen, über welche die Stadt mit dem Freistaat in Streit geraten ist. Ja, sagt der Freistaat, der die bisherige Ausnahmeregelung für Münchner Grundschüler zurückgenommen hat - seit Montag müssen auch Erst- bis Viertklässler eine Maske tragen. Nein, sagt die Stadt, und verweist auf niedrige Infektionszahlen an Grundschulen, siehe oben.

Tatsächlich haben sich bundesweit zuletzt deutlich mehr Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer mit dem Coronavirus infiziert. Das zeigen Zahlen aus mehreren Bundesländern. Eine Studie des Helmholtz-Zentrums hat zudem ergeben, dass zu Beginn der Pandemie in Bayern sechs Mal so viele Kinder und Jugendliche mit dem Virus infiziert waren als offiziell bekannt. Kinder entwickeln oft keine Symptome. Trotzdem sind sie ansteckend und verbreiten das Virus weiter, wenn auch wohl nicht so stark wie Erwachsene.

Die Stadt hat nicht viel Gestaltungsspielraum bei den Corona-Maßnahmen. Mit der Masken-Ausnahme für Grundschüler konnte sie sich zuletzt profilieren. Unterdessen hat die Sieben-Tage-Inzidenz in München die 200er-Marke geknackt. Der Wert ist so hoch wie noch nie. Sind Sonderwege da noch angebracht? Erklärtes politisches Ziel ist immer noch, alles zu tun, um die Schulen offen zu halten. Hierzu kann das Tragen von Masken beitragen. Mit seiner scharfen Kritik suggeriert Reiter nun aber, dass Grundschulen ein irgendwie abgeschlossenes Universum seien, vor dessen Türen das Virus Halt macht; ein sicherer Ort. Seine Aussagen emotionalisieren ein ohnehin emotionales Thema unnötig - und tragen zur Verunsicherung unter den Eltern bei.