Artikel vom 08.03.2025
Amorbacher Kreis
Politischer Austausch im Dreiländereck


Amorbacher Kreis diskutiert Bundestagswahl, Regierungsbildung und kommunale Herausforderungen
Amorbach, 8. März 2025 – Trotz zahlreicher krankheitsbedingter Absagen zeigte sich Initiator Karl Neuser erfreut über die rege Teilnahme an der diesjährigen Zusammenkunft des „Amorbacher Kreises“. Die traditionsreiche Veranstaltung, die seit ihrer Gründung am 28. Juli 1978 stets am Samstag nach Aschermittwoch stattfindet, versammelte erneut führende Unionspolitiker und Entscheidungsträger aus dem Dreiländereck.
Unter den Gästen befanden sich Peter Hauk, MdL und Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, sowie Patricia Lips, MdB aus dem Odenwaldkreis. Ebenso nahm Dr. Achim Brötel, Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, teil. Auch die Kreisverbandsvorsitzenden Kevin Schmauß (Odenwald) und Michael Schwing (Miltenberg) sowie Miltenbergs Landratskandidat Björn Bartels waren anwesend. Besonders begrüßt wurden die Abgeordneten a.D. Wolfgang Zöller, Alois Gehrlich, Berthold Rüth sowie die Bürgermeister Roland Burger, Kurt Repp und Peter Schmitt.
Kommunale Finanzen im Fokus
Den Auftakt machte Dr. Achim Brötel, der seit sechs Monaten Präsident des Deutschen Landkreistages ist. Er warnte eindringlich vor der angespannten finanziellen Lage der Kommunen: „Der Haushalt ist im freien Fall. Während 2022 noch ein Überschuss von zwei Milliarden Euro erwirtschaftet wurde, steht für 2024 ein Defizit von 25 Milliarden Euro im Raum.“ Die Kreisumlagen sind im Neckar-Odenwald-Kreis bereits um 2,7 Prozent erhöht worden, im Landkreis Miltenberg derzeit 6,9 % Erhöhung im Raum. Doch die strukturellen Finanzprobleme blieben bestehen.
Brötel forderte eine grundlegende Neuordnung der kommunalen Finanzierung: „Es ist unfassbar, dass Kommunen lediglich 14 Prozent der staatlichen Einnahmen erhalten, aber 25 Prozent der Ausgaben stemmen müssen.“ Seine zentrale Forderung: eine Verdreifachung des kommunalen Umsatzsteueranteils. Zudem kritisierte er die unübersichtliche Förderlandschaft in Baden-Württemberg, die er als ineffizient und hinderlich für zielgerichtete Investitionen bezeichnete.
Auch das Thema Ukraine-Flüchtlinge spielte eine große Rolle. Brötel warnte, dass ein „Diktatfrieden“ dazu führen könnte, dass viele Geflüchtete nicht zurückkehren und im Gegenteil eine weitere Fluchtbewegung ausgelöst wird. Die steigenden Sozialausgaben – insbesondere das Bürgergeld, das mittlerweile 14,5 Milliarden Euro beträgt – seien ein weiteres Problem.
Bundestagswahl und Wahlrechtsreform
Karl Neuser leitete zum Schwerpunktthema über: die Bundestagswahl und die Folgen der Wahlrechtsreform. „59,2 Millionen Wahlberechtigte, darunter 2,3 Millionen Erstwähler – die Wahlbeteiligung war so hoch wie seit 38 Jahre nicht, stellte er fest. Die Reduzierung auf 630 Bundestagsabgeordnete mittels der Wahlrechtsreform führte dazu, dass 23 direkt gewählte Kandidaten nicht ins Parlament einzogen – darunter 15 von der CDU und drei von der CSU.
Patricia Lips kritisierte die Reform scharf: „Das neue Wahlrecht stellt ländliche Regionen schlechter. In Südhessen, mit fünf Landkreisen, gibt es keinen SPD- oder Grünen-Abgeordneten mehr. Wahlkreise wie Darmstadt/Dieburg sind im Bundestag gar nicht mehr vertreten – das ist absolut kritisch!“ Eine Zusammenlegung von Wahlkreisen sei zwar eine mögliche Lösung, würde aber dazu führen, dass die Abgeordneten riesige Flächen betreuen müssten. Auch eine Reform der Grundmandatsklausel müsse in Betracht gezogen werden.
Es sei ein Unding, dass Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck seinen Wahlkreis in Flensburg-Schleswig nicht verteidigen konnte, dennoch in den Bundestag einzieht und die Gewinnerin des Wahlkreises Petra Nicolaisen (CDU) wegen des neuen Wahlrechts nicht in den Bundestag einziehen wird, so Lips.
Mit Blick auf das starke Abschneiden der AfD – sie verdoppelte ihren Stimmenanteil von 10 auf 20 Prozent – betonte Lips, dass dies eine zentrale Herausforderung für die Union sei. Ein Infrastrukturpakt über 500 Milliarden Euro sei entscheidend für die Kommunen, wobei 100 Milliarden direkt an Länder und Kommunen fließen sollen.
Regierungsbildung und Sondervermögen
Die Diskussion über die Regierungsbildung zeigte, dass die politischen Verhandlungen noch offen sind. Lips stellte fest: „Hier ist alles sehr beweglich. Die Koalitionsverhandlungen starten wohl nächste Woche.“ Sie betonte zudem die Bedeutung eines zweckgebundenen Sondervermögens für Verteidigung und Wirtschaftswachstum, mahnte aber auch einen Sparkurs an.
Aus dem Publikum kam kritische Nachfrage zur geplanten Bereitstellung von 500 Milliarden Euro Sondervermögen, da im Wahlkampf Schulden kategorisch ausgeschlossen wurden. Kevin Schmauß räumte ein, dass auch intern große Empörung herrsche. Dennoch sei die Zustimmung in der Bevölkerung hoch: „Die geopolitische Lage mit Blick auf die USA und Russland zwingt uns zum Handeln.“
Peter Hauk ergänzte, dass eine Zwei-Parteien-Koalition aufgrund der fehlenden Zweidrittelmehrheit im Bundestag schwierig werde. Die Verhandlungen zum Sondervermögen seien prioritär, da eine schnelle Einigung erforderlich sei, um wirtschaftliche Impulse zu setzen.
Alois Gerig MdB a.D. appellierte auch Zuversicht zu verbreiten und auch den Blick auf die gewonnene Wahl nach 3 Jahren Ampel-Murks zu lenken. In seinem Statement ging er u.a. auch auf das von der CDU/CSU kritische Hinterfragen der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ein. Die Trennlinie zwischen den Aufgaben und Ausgaben des Staates und jenen, die sich eine unüberschaubare Szene von in aller Regel politisch linksstehenden NGOs sei kaum mehr zu erkennen. Hier landen Zuwendungen von hunderten Millionen Euro Steuergeld, beispielsweise aus mit „Demokratie leben“ beschrifteten Töpfen des Familienministeriums.
Weitere Diskussionen: Krankenhausreform und Biberproblem
Ein weiteres wichtiges Thema war die Krankenhausstrukturreform. Landrat Dr. Brötel kritisierte, dass diese „im Blindflug beschlossen“ worden sei. „Kein MdB konnte die Auswirkungen abschätzen. Die Finanzierung ist völlig unklar“, betonte er. Die Krankenhäuser Mosbach und Buchen hätten 2024 ein Defizit von 12 Millionen Euro erwirtschaftet. Besonders um die Stroke Unit müsse gekämpft werden, da die aktuellen Vorgaben zu streng seien. Auch die Palliativversorgung dürfe nicht vernachlässigt werden.
Zum Thema Artenschutz wurde der Schutzstatus des Bibers hinterfragt, da diese erheblichen Schäden verursachen. Peter Hauk verwies auf bestehende Möglichkeiten im Länderrecht, um durch Ausnahmeregelungen gezielte Entnahmen zu ermöglichen – ein Modell, das Bayern bereits umgesetzt habe.
Schlusswort und Ausblick
Karl Neuser beendete die Veranstaltung mit dankenden Worten und einem Ausblick auf das nächste Treffen des Amorbacher Kreises, das am 21. Februar 2026 in Erbach stattfinden wird.
Fazit: Die Diskussionen zeigten die vielschichtigen Herausforderungen für die Union auf – von der Wahlrechtsreform über die kommunale Finanzlage bis hin zur Krankenhausversorgung und Regierungsbildung. Der Amorbacher Kreis bleibt eine bedeutende Plattform für den politischen Austausch in der Region.