Artikel vom 25.04.2020
Josef Wengbauer (66) war 18 Jahre lang Bürgermeist
In Mehring endet die "Ära Wengbauer"

"Reden lernt man durch Reden": Das Bild der Burghauser Künstlerin Katalin Harrer mit diesen Worten hängt über Josef Wengbauer, oder genauer: direkt hinter ihm, wenn er an seinem massiven Holzschreibtisch im Büro sitzt. Reden kann er, seine Meinung sagen auch – das wird ihm niemand absprechen, der den Mehringer Bürgermeister in den vergangenen 18 Jahren erlebt hat. Sepp Wengbauer ist direkt und genau dafür schätzen ihn die Mehringer, die ihn drei Mal gewählt haben – fast vier Mal, muss man sagen: 1989 hat er mit einer einzigen Stimme, 499 zu 500, gegen Hans Eberheißinger verloren; eine spektakulärere Wahl wird Mehring so schnell nicht wieder erleben.
Aufhören, bevor "aus Respekt Mitleid wird"Jetzt hört Josef Wengbauer auf. Für ihn sei schon immer klar gewesen, dass er es nicht ewig machen wird, sagt er: "Man muss rechtzeitig aufhören, eigentlich, wenn man am besten ist." Das ist ihm wichtig, das hat er auch mit seiner Landwirtschaft so gemacht, die er mit 60 an den Sohn übergeben hat. Das will er jetzt, mit 66 Jahren, auch mit dem Bürgermeisteramt machen. "Ich kenne es aus Erfahrung, wenn aus Respekt Mitleid wird − da will ich nicht hinkommen. " Sein Nachfolger, Robert Buchner von den Freien Wählern, fängt am 1. Mai an. Die CSU muss damit den Bürgermeisterposten aufgeben. Einen etwas anderen Abschied hätte sich Josef Wengbauer schon gewünscht: Die Bürgerversammlung mit Rückblick auf 18 Jahre als Bürgermeister kann wegen Corona nicht stattfinden. Dabei könnte Wengbauer wirklich weit zurückschauen, nicht nur auf die drei Amtsperioden als Bürgermeister, sondern auf 42 Jahre insgesamt im Gemeinderat.
Mit 24 Jahren wurde Wengbauer erstmals gewählt. Er führte damals daheim schon den Hof, nachdem der Vater zwei Jahre vorher tödlich verunglückt war. "Es hat mir wahrscheinlich den Respekt der Leute eingebracht, dass ich die Landwirtschaft schon allein geführt habe", sagt er heute. Wengbauer war damals in der JU aktiv, er war Kreisvorsitzender der Landjugend Arbeitskreis Landwirtschaft und er engagierte sich im Pfarrgemeinderat "als Ausgleich zu der ganzen Landwirtschaft". 1989 kandidierte Josef Wengbauer erstmals für das Bürgermeisteramt, da waren die drei Kinder, die er mit seiner Frau Marlies hat, noch klein. Die denkwürdige Wahl verlor er mit einer Stimme gegen SPD-Mann Hans Eberheißinger; es war eine außerordentliche Wahl, nachdem der bisherige Bürgermeister Eduard Schmidhammer wegen Krankheit sein Amt hatte niederlegen müssen. Bei der regulären Wahl 1990 trat Wengbauer nochmal an, unterlag Eberheißinger aber deutlich. "Solche Misserfolge sind, im Nachhinein gesehen, auch mal ganz gut. Da wird man wieder auf den Boden geholt, da muss man sich wieder darappeln", sagt Wengbauer heute. Zwölf Jahre später hatte er sich wieder "darappelt", er trat erneut an und gewann gegen Eberheißinger mit 57,8 Prozent. Die Zahl hat er parat, das weiß er noch genau. Für Hans Eberheißinger aber hat Wengbauer ausschließlich Lob: Fast drei Amtsperioden war dieser dann noch als Gemeinderat dabei, "er hat mir nie Steine in den Weg gelegt, im Gegenteil, er hat mir immer geholfen", sagt Wengbauer. "Der Hans Eberheißinger ist ein feiner Mensch." Dieser erinnert sich gern an die jahrelange konstruktive Zusammenarbeit, wie er sagt. Direkt sei der Sepp, ja, "aber wie sagt man: Raue Schale, weicher Kern", lacht er. Auch Peter Bansen, der zwölf Jahre als 3. Bürgermeister Wengbauers Vertreter war, beschreibt ihn schmunzelnd als "einen, der sich von seiner Meinung nicht so schnell abbringen lässt". Aber, betont Bansen: Man habe immer sehr offen miteinander gearbeitet, Parteigrenzen hätten keine Rolle gespielt, als der Gemeinderat zusammengewachsen war. "Wir haben viel gemeinsam durchgezogen", erinnert er sich an die vielen aktiven Jahre. Denn viele große Projekte wurden unter Wengbauers Ägide umgesetzt. Da ist der Sportpark, "um den uns der halbe Landkreis beneidet"; da sind die großen neuen Baugebiete in Öd, die für starken Zuzug in die Gemeinde sorgten; da ist auch die Gewerbegebietszufahrt, deren Umsetzung Josef Wengbauer jahrelang umtrieb. Schlaflose Nächte gehörten für ihn als Bürgermeister dazu, nicht selten hatte er nachts die zündenden Ideen für schwierige Grundstücksverhandlungen. Auch die Aufstufung der Burgkirchener Straße zur B20 wollte er jahrelang, bis schließlich das OK kam − und er plötzlich seine eigenen Gemeinderatsmitglieder davon überzeugen musste. Denn die Angst , dass damit die Burghauser Umfahrung begünstigt werden könnte, war groß. Die Umfahrung – die konnte auch Josef Wengbauer nicht verhindern. "Ich könnte aber natürlich sagen: Unter mir ist sie nicht gebaut worden", sagt er und lacht. Er weiß, so einfach ist es nicht und es ärgert ihn, dass bei der Trassenplanung der Naturschutz vor das Schutzgut Mensch gestellt worden sei, wie er findet. Die Zusammenarbeit mit Burghausen habe das aber, so Wengbauer, nie beeinflusst, oder zumindest fast nie. "Wir haben in allen Bereichen sehr gut zusammengearbeitet; Burghausen hat nie seine starke Position ausgenutzt." Auch in der Verwaltungsgemeinschaft mit Emmerting habe man stets "nahtlos" miteinander gearbeitet. Über 40 Jahre schon existiert die VG und auch wenn Emmerting im Rat einen Sitz mehr hat, habe das nie eine Rolle gespielt. Sehr gute finanzielle Jahre hat Bürgermeister Wengbauer mitgemacht, in denen vieles möglich war. "Wir haben viele gute Betriebe im Gewerbegebiet", sagt er. "Das haben wir auch ein bisschen Georg Miesgangs schlechter Grundstückspolitik zu verdanken." Für seinen Nachfolger als Bürgermeister wird es schwieriger, vermutet Wengbauer; der Weggang von Hinterschwepfinger werde sich bemerkbar machen, der Verkauf von Hasenkopf auch und dann die generelle schlechte Lage angesichts der Corona-Krise.
Viele Dinge hat er in seiner Amtszeit gelernt, zwei aber allen voran: "Du kannst es nicht jedem recht machen." Und: "Immer die zweite Meinung anhören, bevor man sich eine eigene Meinung bildet." Dass man sich als Bürgermeister nicht immer nur Freunde macht, hat Wengbauer erfahren. Beim Straßenendausbau etwa, der die Anlieger was kostet, dem Bürgermeister aber ein wichtiges Anliegen war. Und auch, dass die Firma Hinterschwepfinger nach dem Protest einiger Mehringer abgewandert ist, sitze noch tief, gibt er zu. "Daheim bleibt schon was hinten"Aber natürlich, die Erfolge und die schönen Dinge überwiegen. Gerade die kleinen Aufgaben sind es, die Wengbauer immer Spaß gemacht haben. Geburtstagsgratulationen, bei denen Menschen eine Stunde lang über ihr Leben erzählen; die Babygeschenke für die Neu-Mehringer persönlich vorbeizubringen; Kinder-Bauausschusssitzungen mit Grundschülern abzuhalten; den Ort mit geschmackvollen Bushäuschen zu verschönern. Aber, das gibt er unumwunden zu, für das Bürgermeisteramt muss man bereit sein, Dinge aufzugeben. "Daheim bleibt schon was hinten", sagt er. Gerade in der umtriebigen Anfangszeit, als er noch dazu Vollzeit-Landwirt war.
Dafür hat Josef Wengbauer jetzt wieder Zeit. "Zu Hause sagen sie schon, sie müssen mich jetzt wieder richtig einarbeiten", lacht er. Und daheim auf dem Hof in Unghausen warten außerdem die beiden Enkelkinder auf den Opa. Und auf eines freut sich Josef Wengbauer jetzt auch schon: aufs Nichtstun.
cts (Quelle: Burghauser Anzeiger)