Ortsverband Mehring

1. Bürgerdialog zur Ortumgehung Burghausen

Verkehrslärm in Burghausen schon heute mindern.

ca. 100 Teilnehmer sammelten sich zur gemeinsamen Weiterfahrt und Begutachtung der geplanten Streckenführung in Mehring.

Ohne Schaum vor dem Mund

Ihre Argumente gegen die Umfahrung haben die Kritiker am Samstag vorgebracht – der Dialog aber blieb noch aus

Ob sie ihrem selbstgesteckten Ziel eines wirklichen Dialogs gerecht werden können, müssen die Verantwortlichen des Aktionsbündnisses Verkehrswende erst noch beweisen. Schließlich fehlt zu ihren Argumenten bislang die Sichtweise der Gegenseite. Eines aber hat der Auftakt ihrer dreiteiligen Reihe am Wochenende bereits belegt: Das strittige Thema Ortsumfahrung kann ohne Schaum vor dem Mund angegangen werden.

Gut 100 Mitstreiter und Zuhörer führte der lose Zusammenschluss von Naturschutzverbänden, ökologisch geprägten Parteien, der Gemeinde Mehring und weiterer Initiativen am Samstagabend auf den Hollerriederhof bei Niederholz. Der Betrieb liegt in Sichtweite zur Staatsstraße, auf seiner Höhe soll künftig einer der Knotenpunkte der Umfahrung liegen: der Overfly zur Nord-Anbindung der Umgehung.

Keine Entlastung, zu teuer und aus der Zeit gefallen

Geht es nach den Hollerrieders und der Initiative, dann wird es dazu nicht kommen. Unsinnig, ohne Entlastungseffekt, zu teuer und überhaupt völlig aus der Zeit gefallen sei das Projekt, argumentierten die Redner am Samstag bei der Kundgebung. Vorausgegangen war eine von der Polizei begleitete Radltour vom Burghauser Bürgerhaus über Unghausen und Mehring nach Niederholz.

Fünf Redner boten Sprecher Peter Aldozo und seine Mitstreiter auf. Die Zielrichtung war klar und bekannt – und beinhaltete doch auch Neues. Denn zu bereits oft Gehörtem, etwa dem Argument, wonach die Lärmentlastung der Umfahrung für die Burgkirchener Straße gen Null gehe, ebenso die Netzwirkung für die Nord-Süd-Verbindung der B20, der Ziel- und Quellverkehr dominiere und wertvolle Landschaften verbaut würden, gesellte sich der Schwerpunkt, wonach den Anliegern der belasteten Burgkirchener Straße ohne Umfahrung effizienter und schneller geholfen werden könne.

Dieser Richtung sprachen vor allem der Burghauser BN-Ortsvorsitzende Dr. Ernst-Josef Spindler und Andreas Engl das Wort. Beide stellten nicht in Abrede, dass Burghausen ein ernstes Verkehrsproblem habe. Doch brauche es eine schnelle Entlastung, kein Umfahrungsbaubeginn in frühestens drei und Fertigstellung in zehn Jahren. Effektiver Lärmschutz sei schneller und mit weit weniger Geld als den für die Umfahrung bislang veranschlagten 40 Millionen Euro machbar.

Spindler kann sich neben klassischem Lärmschutz vorstellen, dass bei Kanaldeckeln und dergleichen auf geräuschärmere Bauweisen geachtet wird. Zudem könnten intelligentere Ampelschaltungen gegen Stop-and-go-Verkehr helfen. Engl brachte etappenweise Tempo 30 ins Spiel, um den Verkehr zu beruhigen.

An der Notwendigkeit von Lärmschutzmaßnahmen in der Burgkirchener Straße ändert aus Sicht der beiden eine Ortsumfahrung nichts – schließlich prognostiziere selbst das Staatliche Bauamt eine Lärmentlastung von weniger als zwei Dezibel – für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar. Doch werde die Burgkirchener Straße infolge der Umfahrung ihre Einstufung als B20 verlieren – und die Stadt den Lärmschutz dann selbst bezahlen müssen, so die Sicht der Kritiker.

In Abrede stellen diese auch die jüngst von der Stadt angesprochene Notwendigkeit einer Umfahrung für die geplante Verkehrsberuhigung auf der Marktler Straße. Das Bundesverkehrsministerium habe klar festgestellt, dass der städtebauliche Nutzen einer Ortsumfahrung "unbedeutend" sei, hielt Ernst-Josef Spindler dem entgegen.

Mehrings Bürgermeister Robert Buchner ging auf die zurückliegenden Eckpunkte ein, darunter die für die Gemeinde überraschende Einstufung in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans – nachdem jahrelang zugesichert worden sei, dass das Projekt beim Kosten-Nutzen-Faktor keine Chance habe. Angebote für einen wirklichen Dialog seien seitens der Straßenbaubehörden "nie ernsthaft in Betracht gezogen" worden – und aus diesem Grund habe die Gemeinde ihrerseits mit der Ablehnung der Pläne reagiert, stellte Buchner nüchtern fest.

In ein ähnliches Horn stieß Gemeinderat und Landwirte-Vertreter Josef Schick. Trotz vieler "ins Leere laufender" Argumente der Umfahrungsbefürworter sei man in der Vergangenheit "oft übervorteilt und angelogen" worden. "Deswegen bitte ich um Verständnis dafür, dass wir nicht mehr alles glauben, was von behördlicher oder politischer Seite gesagt wird." Er wünsche sich mehr Verständnis für die Mehringer Sichtweise – sowohl seitens der Kommunalpolitik als auch der Presse, sagte Schick weiter.

Von der reinen Umfahrungsthematik hin zum großen Ganzen führte Marcel Seehuber, Altöttinger Stadtrat und dort engagiert für eine grundlegende Verkehrswende. Jedes Jahr steige im Landkreis die Zahl der Fahrzeuge, ohne radikale Umkehr seien alle gesteckten Klimaschutzziele unerreichbar – E-Mobilität hin oder her. Es sei längst bekannt, dass die Autozahl letztlich halbiert werden müsse und es neue Denkweisen brauche: Car-Sharing-Modelle, die Bereitschaft, sich mit den Nachbarn ein Auto zu teilen, mehr ÖPNV. Dazu ein Sinneswandel bei der Frage, wohin der nächste Urlaub, der nächste Ausflug gehen soll – mit Flugzeug und Auto in Richtung Süden? Oder per Zug, Bus und Fahrrad in die nähere Umgebung? Ein Neubauprojekt wie die geplante Burghauser Umfahrung jedenfalls könne nicht mehr durchgesetzt werden, "wenn man es mit dem Klimaschutz wirklich ernst meint", sagte Seehuber.

Buchner: Dialog darf nicht zum Monolog verkümmern

Mit seinen Mitstreitern und den Zuhörern am Hollerriederhof befand er sich mit dieser Aussage in trauter Übereinstimmung, kritische Stimmen blieben am Samstag aus – und damit auch der versprochene Bürgerdialog mit Rede und Gegenrede. Er soll spätestens beim dritten Termin, einer Podiumsdiskussion am 14. September in Burghausen, zutage treten, versprach Peter Aldozo, und versicherte zugleich, dass die Reihe "keine Echo-Kammer" sein soll, das Thema vielmehr von beiden Seiten "faktenbasiert und entemotionalisiert" angegangen werden soll. Das forderte auch Bürgermeister Buchner ein, der schon am Samstag – letztlich vergebens – gehofft hatte, "dass auch Befürworter der Umfahrung hier sind, weil der Bürgerdialog sonst zum Monolog verkümmert"

ckl (Quelle: Burghauser Anzeiger)