Ortsverband Ottensoos

Einführung durch den 1. Bürgermeister Klaus Falk

Dr. h.c. Charlotte Knobloch in der ehemaligen Synagoge Ottensoos

Foto: Manfred Huth

Dem November wird gemeinhin zugesprochen, der Monat des Innehaltens, des Ruhig-Werdens, der Besinnung und des Gedenkens zu sein. Die „Rahmenbedingungen“ passen: Pflanzen sterben ab, Bäume entledigen sich Ihres Laubes, die Natur kommt zur Ruhe. Trübes Wetter, kurze Tage, lange Nächte, früh und Abend, ist es lange, bzw. bald wieder finster.

Dunkelheit breitet sich aus und dominiert. Auch in Deutschland und von Deutschland ausgehend in vielen anderen Ländern gab es mit der Zeit des Nationalsozialismus eine Zeit großer Dunkelheit und Düsternis. Menschen die nicht dem Rasse- oder dem Ideologie-Verständnis der Nazis entsprachen wurden diffamiert, angegangen, ausgegrenzt, verfolgt, gefangen, gedemütigt und ihrer Würde beraubt, körperlich und geistig misshandelt, ausgebeutet, und meist auch ermordet.

Und das war, von einem lokalen Standort aus betrachtet, nicht immer nur anderswo, verborgen und nicht wahrnehmbar, und es waren nicht immer nur die Anderen, die übergriffig wurden. Trotz eines langen und guten Miteinanders von Juden und Christen in Ottensoos änderten sich auch hier mit der Machtergreifung der Nazis 1933 die Zeiten. Bezeichnend dafür mag, wie an so vielen anderen Orten in Deutschland auch, die Reichspogromnacht vom 09. November 1938 stehen. Die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger wurden aus ihren Wohnungen geholt und am Dorfbrunnen zusammengetrieben, die Einrichtung der Synagoge, in der wir uns heute wiederum befinden dürfen wurde demoliert.

Die Pogrom-80-Gedenkveranstaltung als Protest-Theater vom vergangenen Freitag hat in beklemmender Weise vor Augen geführt, was damals geschehen ist. Irgendwie schwer vorstellbar, dass es soweit kommen konnte und es beunruhigt heute viele Menschen zutiefst, dass in einigen Ländern seit einiger Zeit wieder nationale Egoismen stark zunehmen, entsprechend Führungspersonen an die Macht kommen, die „Lösungen“ durch Kappen von Beziehungen und Abschottung anbieten, die durch Ihr persönliches Verhalten, ihre Politik polarisieren, spalten, die durch Populismus Missmut, Misstrauen, Abneigung bis hin zu Hass und Gewaltausbrüchen säen. Die damit Personengruppen und Minderheiten anfeinden, deren Menschen erniedrigen und damit in der Gesellschaft bewusst an deren Rand drängen. „Der Mensch lernt nie aus seinen Fehlern, der Mensch ist so“. Diese Antwort kommt gar nicht so selten auf die Frage nach dem Warum. Entspringt sie persönlicher Resignation oder einfach nur der Bequemlichkeit, um sich mit der Sache nicht weiter auseinander setzen zu müssen?

Ich denke, allen die heute Abend hier sind und – Gott sei Dank – noch vielen mehr liegt eine solche Haltung fern.

An dieser Stelle darf ich Sie, liebe Besucherinnen und Besucher sowie unsere Ehrengäste (namentlich) bei uns begrüßen, ganz besonders aber die Referentin unseres heutigen Abends, Frau Dr. Charlotte Knobloch. Um solche Tatsachen: „Warum? Der Mensch lernt doch nie“ zu verstehen, wollen und müssen wir tiefer eintauchen, Zusammenhänge erkunden, vorangegangene Entwicklungen in der Gesellschaft gedanklich mit einbeziehen.

Wir brauchen Einblick, Information: Natürlich Literatur, die gibt es, aber auch Film-Dokumentationen usw.. Die Recherche im Internet würde vieles liefern. Reicht das? Damit meine ich nicht die Menge an Information, die scheint mir in Fülle gegeben. Mit der Frage: Reicht das? meine ich: Wie viele Leute tun das wirklich, sich hinsetzen, Recherchieren, sichten, lesen, analysieren, und daraus einen Erkenntnisgewinn ziehen? Hand aufs Herz: Es wird wohl eher eine Minderheit sein. Hilfreich sind da Angebote, die Berichte über persönliche Erfahrungen, Beobachtungen, eigene Schlüsse und als Folge davon vielleicht eine Empfehlung an uns haben.

Von Zeitzeugen. Persönliche Schicksale. Authentische Berichte über Unrecht und seine Folgen, am eigenen Leib erlebt, aus dem Alltag, als Mensch, der man Teil einer Gesellschaft ist, bzw. der man glaubte, Teil einer solchen Gesellschaft zu sein. Solche Berichte sind anschaulich-plastisch, nicht anonymisiert und damit Statistik und damit für uns eher nachvollziehbar. Und: Sie machen uns betroffen! Das lässt uns innehalten, da bleibt etwas hängen bei uns! Zeitzeugen: Es ist klar, bei einer Gedenkveranstaltung 80 Jahre nach einem bestimmten Ereignis gibt es davon nicht mehr so viele, die davon berichten könnten.

Ausgrenzung-Entwürdigung gestern-heute ist das Thema unseres Abends.

Ich bin froh und sehr dankbar, für diese Veranstaltung Frau Dr. Charlotte Knobloch gewonnen zu haben, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (Seit 1985) und mit ihr eine Persönlichkeit, die zu diesem Thema berufener gar nicht sein könnte. Aus Ihrem reichhaltigen, aufregenden, spannenden Leben (geb. 29.10.1932; seit 1997 Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, von 2006 bis 2010 dessen Präsidentin) gäbe es viel zu berichten. Dazu bin, erstens, ich nicht berufen und, zweitens, würde ein vollständiges Bild den heutigen Rahmen zeitlich sprengen.

Wir freuen uns auf Ihren Vortrag!