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Kaum bekannt. Und doch so relevant!

Der Bezirkstag - Ein Informationsabend in Kienberg

Kienberg. „Gäbe es die Bezirke nicht – man müsste sie wohl erfinden“ Mit dieser Aussage überraschte Josef Mederer, Präsident des Bezirks Oberbayern, bei seinem Vortrag am Dienstag im Gasthof „zur Post“ sicherlich einige Gäste. Zusammen mit Annemarie Funke, Geschäftsführerin der Chiemgau Lebenshilfe e. V. und selbst ehrenamtliches Mitglied im Bezirkstag seit 2013, gab Mederer einen umfassenden Einblick in die Aufgaben des Bezirks.

„Normalerweise hört man ja nur ein Mal im Jahr vom Bezirkstag. Und zwar immer dann, wenn der Kreistag über die Umlage abstimmen muss“ stellte Mederer fest. Obwohl allein vom Bezirk Oberbayern jährlich 2,4 Mrd. Euro verwaltet werden, und diese Summe jährlich steigt, sind die Bezirke wenig bekannt. Man weiß irgendwie, dass hier soziale Hilfen zusammenlaufen, Museen und Kliniken betrieben werden – aber oftmals nicht viel mehr. So kam es, dass die rd. 60 Besucher mehr als einmal von Mederers Querschnitt über die Aufgaben des Bezirks an diesem Abend erstaunt waren.

Der Bezirk Oberbayern ist der größte der sieben bayerischen Bezirke. Zuständig für 4,7 Millionen Bürger in 497 Gemeinden bzw. 20 Landkreisen. Was einem Drittel der Einwohner ganz Bayerns entspricht. Er wird als „dritte kommunale Ebene“ bezeichnet, weil er ein kommunales Parlament ist – vergleichbar den Gemeinderäten oder Kreistagen. Er hat keine gesetzgebende Funktion wie der Landtag, sondern verwaltet und beschließt über ihm zugeordnete Aufgabenbereiche. Seine derzeit 82 Mitglieder sind ehrenamtlich tätig und werden alle 5 Jahre zusammen mit dem Landtag gewählt.

Bezirkstage in der Form gibt es außerhalb Bayerns nur in der Pfalz. Was in der Vergangenheit auch immer wieder die Frage aufwarf, ob man dieses Gremium denn wirklich brauche: „Der Bezirkstag übernimmt kurz gesagt Aufgaben, die über die Leistungsfähigkeit einzelner Landkreis hinaus gehen. Würde man die Bezirke abschaffen wären die Aufgaben ja trotzdem da. Man bräuchte stattdessen eine andere Struktur und Verwaltung. Weshalb es die auch in anderen Bundesländern gibt, sie heißen nur anders.“ erklärte Mederer. Und weiter nicht, ohne etwas Stolz: „Dann wären es aber nur Verwaltungen und Beamte, die beschließen und Entscheidungen treffen. Bei uns in Bayern sind es Bürger, gewählte Vertreter, die über die Ausgaben und Projekte diskutieren und beschließen.“

Über die Bezirksumlage werde im Kreistag gerne diskutiert, und nicht immer begeistert, ergänzte Annemarie Funke zu dem Punkt. Aber man müsse auch sehen, dass all dieses Geld sozusagen an die Bürger in den Landkreisen „zurück“ gehe. Manchmal anteilig mehr, als über die Umlage zuerst abgeführt werde. Die Dimensionen machte Mederer dann deutlich: Die Summe, die der Landkreis Traunstein als Bezirksumlage zahlt, würde nicht einmal einen Monat die sozialen Ausgaben decken, die der Bezirk leistet.

Auch die Zahlen, die Mederer im Detail präsentierte, waren interessant und erstaunlich: 2023 verwaltet der Bezirk Oberbayern 2,4 Mrd. Euro. Davon werden 2,2 Mrd. Euro für die verschiedenen sozialen Hilfen verwendet. Während Städte, Gemeinden und Landkreise das Bürgergeld als Hilfe zum Lebensunterhalt finanzieren, leistet der Bezirk als überörtlicher Träger die Hilfen für Menschen mit Behinderungen, Pflegebedarf oder in besonderen sozialen Schwierigkeiten.

Davon 1,3 Mrd. Euro betreffen Leistungen für Menschen mit Behinderungen. 326 Euro Mio. Euro fallen für Hilfe zur Pflege an, also die Kostenübernahme wenn Pflegebedürftige die Heimkosten nicht selbst finanzieren können. 113 Mio. Euro fließen in die Wohlfahrtspflege, 80 Mio in Hilfen zum Lebensunterhalt und Gesundheit und 59 Millionen in die Kinder- und Jugendhilfe.

Die rd. 600.000 Euro, die der Bezirk darüber hinaus für Kulturförderung und Denkmalpflege 2023 ausgibt, nehmen sich dagegen fast bescheiden aus. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass in diesen Zahlen nur die tatsächlich ausgegebenen Mittel enthalten sind. In der Rechnung nicht enthalten sind Betrieb und Unterhalt der KBO-Kliniken mit ihren 7.600 Mitarbeitern und rd. 130.000 Patienten jährlich, die verschiedenen Fach- und Förderschulen, Berufsbildungswerke, Berufsfachschulen, Museen wie Glentleiten oder das Zentrum für Trachtengewand in Benediktbeuern – oder die Fachberatungen für Imkerei oder Fischerei.

Abseits von den nackten Zahlen liegt es am Bezirkstag und seinen Absichten, wie soziale Fürsorge geleistet wird oder welche Projekte verfolgt werden, wurde aus Mederers Ausführungen deutlich. Hier gab es ein Umdenken in vielerlei Hinsicht in den vergangenen Jahren. Dachte man in den 80er noch, immer größere Einrichtungen seien am besten und vor allem am kostengünstigsten, sei man heute weit weg von „Bettenburgen“, so Mederer. Hilfen oder Förderung so früh wie möglich und so wohnortnah wie möglich sei das erklärte Ziel, ambulante Versorgung vor stationärer und Hilfe.

Noch sei man nicht überall dort, wo man gerne wäre, speziell beim Thema Inklusion. Aber gerade in den vergangenen Jahren seien viele Dinge auf den Weg gebracht worden. Die Dezentralisierung der psychiatrischen Versorgung mit Ausbau der ambulanten Leistungen nannte Mederer als Beispiel. Zum Klinikverbund der KBO „Kliniken des Bezirks Oberbayern“ gehören heute Kliniken und ambulante Einrichtungen für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Neurologie und Sozialpädiatrie an über 50 Standorten. Ein weiteres Beispiel sind die Pflegestützpunkte, die vom Bezirk angeregt und gemeinsam mit Krankenkassen finanziert wurden, um Pflegebedürftigen und Angehörigen unabhängige Unterstützung und Beratung zu bieten.

Oder der Krisendienst Psychiatrie, der von den Bezirken initiiert wurde: Unter der Nummer 0800/6553000 sind rund um die Uhr ausgebildete Therapeuten für Menschen in psychischen Krisen erreichbar. 2022 zählte der Dienst nicht weniger als 30.000 Gespräche und 2.000 mobile Einsätze. Neben der direkten, telefonischen Beratung oder aufsuchender Hilfe wird auch in wohnortnahe Hilfsangebote vermittelt. „Für Betroffene ist allein dieser Dienst ein unvorstellbarer Unterschied. Was machte man früher? Bei psychischen Krisen kam der Notarzt, mit Blaulicht und im schlimmsten Fall mit Fixierung oder schlichter Ruhigstellung und Einweisung in die Klinik. Dabei kann manche Krise bei kompetenter Hilfe und Gesprächen abgefangen werden, wie wir immer wieder erleben.“

Josef Mederer ist seit 14 Jahren Präsident des Bezirkstages. Bei der anstehenden Wahl im Oktober 23 möchte er deshalb nicht mehr antreten. Annemarie Funke wird für den Wahlkreis Traunstein nochmals kandidieren und machte deutlich, welche Themen ihr auch in Zukunft besonders am Herzen liegen werden: Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, Inklusion weiter voranbringen und verbessern – und wo immer möglich ein Abbau von Bürokratie. Vor allem der letzte Punkt stand auch in der Diskussion im Anschluss im Mittelpunkt. Und auch danach wurde an den Tischen kräftig weiter diskutiert. „Der Bezirkstag – kaum bekannt aber enorm relevant“ Unter diesem Motto hatten verschiedene CSU-Ortsverbände zu dem Informationsabend eingeladen. Ein treffender Titel, wie am Ende viele feststellten. Und es wurde noch länger diskutiert. Denn unter den Gästen waren einige Bürgermeister und Kommunalpolitiker der Region, welche die Gelegenheit zum direkten Austausch mit den Bezirksvertretern gerne nutzten.