Ortsverband Wartenberg

Hart­wig Sat­tel­mair nimmt Ab­schied

35 Jahre Kul­tur­be­auf­trag­ter

Herzlicher Abschied: Landrat Martin Bayerstorfer (r.) überreichte Hartwig Sattelmair eine Kiste Wein, für Gattin Elisabeth Kreuz-Sattelmair gab’s Blumen. Foto: ham

Donnerstag, 13. Oktober 2022, Erdinger Anzeiger

Goe­the geht 35 Jahre als Kul­tur­be­auf­trag­ter und Kreis­hei­mat­pfle­ger:
Hart­wig Sat­tel­mair nimmt Ab­schied

ein Bericht von VON HANS MO­RITZ

Er­ding – Ein biss­chen macht er einem Angst, die­ser ge­die­ge­ne, hoch­ge­wach­se­ne Mann, den man un­be­se­hen in den Adel ein­rei­hen könn­te. Er ist 83 Jahre alt und immer noch quasi all­wis­send als wan­deln­des Le­xi­kon und Ge­schichts­buch un­ter­wegs. Selbst einen kur­zen Zuruf klei­det er in ein ge­schlif­fe­nes Goe­the-Zitat. Die Rede ist von Hart­wig Sat­tel­mair. Jetzt ist ein­ge­tre­ten, was viele für nicht mög­lich ge­hal­ten haben und was auch ir­gend­wie nicht vor­stell­bar ist: Der Al­ten­er­din­ger sagt Leb­wohl – Er­dings Goe­the geht.

35 Jahre lang war der Päd­ago­ge Kul­tur­be­auf­trag­ter und zu­letzt Kreis­hei­mat­pfle­ger. Wie groß die Lücke ist, die Sat­tel­mair hin­ter­lässt, wurde schon vor sei­ner of­fi­zi­el­len Ver­ab­schie­dung am Diens­tag­abend im Land­rats­amt deut­lich: Die Be­kannt­ga­be der Kul­tur­preis­trä­ger, we­ni­ge Stun­den zuvor ge­plant, muss­te ver­scho­ben wer­den, weil Sat­tel­mair dar­auf poch­te, nicht mehr im Amt zu sein, der Kreis­hei­mat­pfle­ger qua Sat­zung aber der Jury an­ge­hört. Da wurde gleich mal deut­lich: Ist Sat­tel­mair weg, geht in Sa­chen Kul­tur erst mal nichts. Land­rat Mar­tin Bay­er­stor­fer muss sich folg­lich be­ei­len, einen Nach­fol­ger für sei­nen un­an­ge­foch­te­nen Kul­tur­papst zu fin­den. Viel­leicht wäre ein Yeti ge­eig­net, so groß sind die Fuß­stap­fen.

Zu den his­to­risch be­leg­ten Fak­ten: 23 Jahre lang, von 1987 bis 2010, war Sat­tel­mair Kul­tur­be­auf­trag­ter. 2007 über­nahm er das Amt des Kreis­hei­mat­pfle­gers, nach­dem er seit 1987 be­reits Stell­ver­tre­ter von Wolf­gang Schierl war. 2012 er­hielt Sat­tel­mair den Kul­tur­preis. Und hätte man ihn nicht ge­hin­dert, hätte er ver­mut­lich auch diese Lau­da­tio fein­sin­nig und hu­mor­voll ver­fasst. Er selbst sagt, wei­ter­hin kul­tu­rell am Ball zu blei­ben. Dazu pass­te Bay­er­stor­fers Ein­stieg in die Lau­da­tio: „Ab­schied ist immer die Ge­burt der Er­in­ne­rung.“ Kein Satz von ihm, son­dern von Sal­va­dor Dali. Aber redet man über Sat­tel­mair darf man ge­trost die Grö­ß­ten ihrer Zunft zi­tie­ren. Der Land­rat wür­dig­te Sat­tel­mair als „Ko­ry­phäe auf dem Ge­biet der Kunst-, Kul­tur- und Brauch­tums­ver­mitt­lung“. Frei­lich nicht vom hohen Ross her­un­ter: „Er möch­te an­de­ren Kul­tur er­mög­li­chen“ und sei zudem Für­spre­cher für Künst­ler jeg­li­cher Cou­leur. „Er macht neu­gie­rig und bringt so Jung und Alt das brei­te Spek­trum von Kunst und Kul­tur näher“, lobte Bay­er­stor­fer.

Gut 700 Ver­an­stal­tun­gen habe Sat­tel­mair mo­de­riert. „Wer ihn ein­mal hat reden hören, der möch­te es immer wie­der – un­nach­ahm­lich, kurz­wei­lig“. Mit „gro­ßer Kom­pe­tenz und dem nö­ti­gen Fein­ge­fühl“ habe er die Ge­schi­cke des Kreis­ver­eins für Hei­mat­schutz und Denk­mal­pfle­ge ge­lenkt, des­sen Ge­schäfts­füh­rer er 20 Jahre war und dem er bis heute ver­bun­den ist. Nicht mehr zähl­bar sind seine Füh­run­gen durch Er­ding und Um­ge­bung, aber auch durch Mün­chen. So viel er über das Er­din­ger Land weiß, Sat­tel­mair ist ge­bür­ti­ger Nürn­ber­ger. Nach Mün­chen kam er zum Stu­di­um der Päd­ago­gik mit den Schwer­punk­ten Ge­schich­te, Kunst­ge­schich­te und deut­sche Li­te­ra­tur. Er­ding wurde Sat­tel­mairs Hei­mat, als er Leh­rer an der Heim­volks­schu­le War­ten­berg wurde. Auf die Stel­le des Kul­tur­be­auf­trag­ten be­warb er sich nach der Er­in­ne­rung Bay­er­stor­fers „mehr aus Spaß“. Und den hat er bis heute an sei­nem Fach. Unter 105 Be­wer­bern setz­te sich Sat­tel­mair durch. Auch ein ge­schrie­be­nes Œuvre hin­ter­lässt er: Viele Fest­schrif­ten und Chro­ni­ken tra­gen im bes­ten Sinne des Wor­tes Sat­tel­mairs Hand­schrift. Und auch die Ge­schich­te des Bau­ern­haus­mu­se­ums in Er­ding hat er ma­ß­geb­lich mit­ge­prägt. Dar­über hin­aus war er Rat­ge­ber für die Un­te­re Denk­mal­schutz­be­hör­de und das Lan­des­amt für Denk­mal­pfle­ge. In seine Ab­schieds­wor­te, es war zu er­war­ten, flocht Sat­tel­mair meh­re­re Zei­len aus Goe­thes Ge­dicht­band „Gott, Gemüt und Welt“ ein. Er gab sich be­schei­den: „Alles, was hier auf­ge­zählt wurde, ver­dan­ke ich an­de­ren.“ Und mit Blick aufs Land­rats­amt er­klär­te er: „Ei­gent­lich muss­te ich gar nichts tun, denn alle hier im Amt haben mich immer un­ter­stützt.“ Den Ge­lob­ten fiel der Ab­schied von Mis­ter Kul­tur sicht­lich schwer.