Bezirksverband Niederbayern

AKH-Niederbayern

"Straubing ist seit Jahrhunderten kulturelles Zentrum!"

Die Verantwortlichen des niederbayerischen Kulturarbeitskreises auf der Haupttreppe des Karmelitenklosters: 1. Reihe von links: Stadtheimatpfleger Alfons Huber, Pater Sunny (Rector eclesiae), MdL Hans Ritt, Exkursionsorganisator Christian Hirtreiter, Landesvorstandsmitglied Roland Kufner und Pfarrvikar Loxly Sebastian Paravakall im Kreis der übrigen Ehrengäste und Verantwortlichen

 

Straubing ist seit Jahrhunderten kulturelles Zentrum

Im Rahmen einer Praxisexkursion (19.8.22) konnte der niederbayerische Kulturarbeitskreis die Kulturschätze des ehemaligen Straubinger Karmelitenklosters und der Karmelitenkirche besichtigen. Stadtheimatpfleger Alfons Huber konnte die Exkursionsteilnehmer versiert in die Historie, aber auch in die bauliche Entwicklung des bedeutenden ehemaligen Klosters einführen. Alle hoffen, dass aus den seit 2016 leeren Studiersälen und Klosterräumlichkeiten der Vergangenheit unter der Trägerschaft der Technischen Universität München weiterhin Stätten von überregionaler Bedeutung werden, so Huber. Historiker und Heimatpfleger Huber konnte den aus ganz Niederbayern angereisten Teilnehmern in brillanter Form die Geschichte des Gebäudekomplexes näherbringen.

Geschichte begann im 14. Jahrhundert

Mit Einwilligung von Papst Urban V. verlegten die Regensburger Karmeliten bei St. Oswald wegen der häufigen Hochwasser im Jahr 1368 ihre Niederlassung nach Straubing. Albert Steinhaut, Propst des Hochstifts zu Augsburg und Bürger von Straubing, schenkte dem Konvent einen Bauplatz gegenüber dem 1356 errichteten Herzogschloss. Herzog Albrecht I., Regent des 1353 entstandenen Herzogtums Straubing-Holland, ließ den Ordensbrüdern „Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel“ besondere Unterstützung zukommen und bereits aus dem Jahr des Umzugs 1368 existieren erste Nachrichten über den Kirchenneubau. Die Karmelitenkirche Hl. Geist in Straubing wurde von den gleichen Baumeistern wie die Stadtpfarrkirche St. Martin in Landshut erbaut: Hans Krumenauer und Hans von Burghausen. So zählt sie neben dieser zu den bedeutendsten und ältesten dreischiffigen Hallenkirchen in Bayern, hob Huber hervor. 1430 konnte die Kirche geweiht werden. Da sie als bevorzugte Grablege für die herzogliche Familie und für wohlhabende Straubinger Patrizier- und Bürgerfamilien galt, verfügt sie über einen beachtlichen Bestand an mittelalterlichen Grabdenkmälern. Huber stellte heraus, dass ihm allein fünf größere Gruftanlagen unter der Kirche bekannt sind, wobei durch künftige moderne Techniken -ohne Grabungen- hier sicherlich bedeutende Erkenntnis gewonnen werden können. Huber stellte das Herzogshochgrab als wahres Kleinod des gesamten Areals zwischen Burggasse und Fürstenstraße dar. Ein namentlich nicht bekannter Künstler hat das Hochgrab hinter dem Hochalter, auch Albrechts Tumba genannt, aus rotem Salzburger Marmor gefertigt. Es gilt als hervorragendes Werk der gotischen Grabmalplastik des späten Mittelalters und ist von überregionalem Rang und höchster Qualität, betonte der Stadtheimatpfleger.

Karmelitenkirche vielleicht Grablege der Agnes Bernauer

Er zitiert auch den 2019 verstorbenen ehemaligen Direktor des Josephinums und Karmelitenpater Pater Englmar, mit dessen Vermutung, dass sich die wahre Grabstätte von Agnes Bernauer möglicherweise in der Karmelitenkirche befindet. Alfons Huber war selbst Zögling des Karmeliteninternats „Josephinum“ und ist dem Absolviajahrgang 1965 zugehörig. Durch seine jahrzehntelange enge Verbindung zum Kloster und vor allem der bedeutsamen Karmelitenklosterbibliothek hängt sein Herz sehr an dem niederbayerischen Kleinod. Bei der Führung war ein Schwerpunkt die Darstellung des seit 2016 noch verbliebenen Bestandes in der erst 2006 renovierten Klosterbibliothek. Er führte in die Säle und stellte den mit Fresken verzierten, zu Beginn des 19. Jahrhunderts übertünchten, in den Jahren 2006-2008 mit gewaltigem finanziellem Aufwand freigelegten Freskenprogramm und wiederhergestellten Bibliothekssaal (Ausmalung 1710) vor.

Alfons Huber garnierte die historischen Ausführungen mit Anekdoten aus seinem eigenen Schülerleben im Josephinum und konnte wichtige Bauabschnitte und historische Daten kenntnisreich kommentieren. 1386 wurde den Karmeliten die Hofkaplanei im Straubinger Schloss übertragen. Auch der Klosterkomplex wurde ausgebaut. Für das Jahr 1404 ist bereits ein Kreuzgang erwähnt. Während der Reformationszeit und im Dreißigjährigen Krieg herrschte eine große finanzielle und personelle Notlage. Sie konnte erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vollständig überwunden werden. Seit der Überführung des Gnadenbildes „Unserer Lieben Frau von den Nesseln“ im Jahr 1661 entfaltete sich an der Straubinger Karmeliterkirche eine blühende Wallfahrt. Die Kirche wurde nun im Barockstil ausgestattet. Das Innere wurde seit 1700 umgestaltet, die Westturmfassade 1702 begonnen. Wolfgang Dientzenhofer, Giovanni Carlone, Paolo d`Angelo und Melchior Steidl verwandelten den spätgotischen Hallenraum in eine barocke Wallfahrtskirche, die einheimische und auswärtige Künstler mit monumentalen Altären, prächtigen Gemälden und einer Rokokokanzel ergänzten.

Karmelitenorden prägte Straubing über Generationen

Der Karmelitenorden war seit Jahrhunderten Träger der Bildungsarbeit in Bayern. Schwerpunkt der historischen Führung waren neben den ehemaligen Mönchszellen die restaurierten Räumlichkeiten und die überregional bedeutsame Karmelitenkirche mit dem berühmten Gnadenbild. Seit der Überführung des Gnadenbildes „Unserer Lieben Frau von den Nesseln“ im Jahr 1661 entfaltete sich an der Straubinger Karmeliterkirche eine blühende Wallfahrt. Bei einem Gang durch die ehemaligen Kloster- und Seminartrakte ist man erstaunt, was aus den ehemaligen Studienbereichen des Karmelitenseminiars Josephinum geworden ist.

Als „Rector Eclesiae“ war Pater Sunny Kodiyan, Prior der in Straubing nun ansässigen indischen Karmeliten, mit dabei und blickte auf seine Erlebnisse in den vergangenen Jahren zurück. 1997 ist Pater Sunny nach Deutschland zurückgekehrt, war zuletzt in Bad Reichenhall tätig, ehe er 2019 nach Straubing kam, wo 2016 die Karmeliten der indischen Ordensprovinz St. Thomas das Erbe der deutschen Ordensbrüder angetreten haben, die nach damals 648 Jahren Straubing verlassen hatten. Er freute sich, dass der Austausch der drei indischen Patres mit der Straubinger Bevölkerung gut funktioniert.

Der Organisator und stellv. niederbayerische Kulturarbeitskreisvorsitzende Christian Hirtreiter stellte die Anpassungsprozesse und die raschen Entwicklungszyklen, die auch in jüngster Zeit mit Veränderungen verbunden waren, heraus.

Über Jahrhunderte hinweg haben katholische Institutionen die niederbayerische Kultur- und Bildungslandschaft entscheidend geprägt und erfüllen auch heute entscheidende Funktionen, so das Kulturkreislandesvorstandsmitglied Roland Kufner (Winzer). Kufner zog eine Parallele zum Passauer Nikolakloster. Das historische Passauer Kloster St. Nikola wurde in den siebziger Jahren der Universität Passau als Funktionsgebäude zugeordnet. Der Westflügel, bestehend aus Eingangsbereich, Cafeteria und Bibliothek wurde einer Gesamtsanierung unterzogen und so konnte das ehemalige Augustiner-Chorherrenkloster einer modernen Verwendung zugeführt werden.

Der Straubinger Landtagsabgeordnete Hans Ritt bekräftigte, dass gerade in Straubing gleichsam einem „Kompetenzzentrum“ auch viele Einrichtungen von überregionaler Bedeutung beheimatet seien, welche die Stadt überregional sichtbarer machen. Besonders erfreulich sei, bekräftigte Ritt, dass der Finanz- und Heimatminister Albert Füracker bei der Volksfesteröffnung 2022 das Versprechen gegeben habe, dass der Planungsauftrag von ihm unterschrieben wird. Dieser stellt sicher, dass der vom Freistaat Bayern erworbene Karmelitengebäudekomplex für einen zweistelligen Millionenbetrag nun auch wirklich als Hochschulgebäude umgebaut werden kann. Dies sei eine große Freude, stellte Abgeordneter Ritt heraus. Der zweieinhalbstündigen Exkursion schloss sich noch ein Diskussionsnachmittag am Gäubodenvolksfest im Festzelt Nothaft an.