Kreisverband Neu-Ulm

Politischer Ascherdonnerstag der Christsozialen NU

Beate Merk und Monika Hohlmeier lobten, informierten und boten auch malkost

© Foto: Volkmar Könneke und Text: CHIRIN KOLB Lag es daran, dass die Europapolitik den Leuten doch recht fern liegt? Oder wollten Beate Merk und Monika Hohlmeier, die bayerische Europaministerin und die Europaabgeordnete, einfach nicht so viele Menschen hören wie Abtprimas Notker Wolf im vergangenen Jahr? Beim diesjährigen politischen Ascherdonnerstag der CSU blieben im Barfüßer-Saal jedenfalls etliche Stühle leer. Die rund 70 Besucher hörten Reden, die in der Hochphase des Kommunalwahlkampfs erstaunlich pfleglich mit den politischen Gegnern umgingen. OB Gerold Noerenberg hatte in seiner Begrüßung die Richtung vorgegeben. "Die sachliche Auseinandersetzung ist uns wichtiger als das Draufhauen." Mit seinen Herausforderern befasste sich Beate Merk, Noerenbergs Amtsvorgängerin, gar nicht erst. Sie machte Wahlkampf allein durch Loben und Preisen. Landratskandidat Thorsten Freudenberger bringe alles mit, "um den Landkreis auf die Erfolgsspur zu lenken". Noerenberg sei "der einzig Richtige für unsere Stadt, ein Fels in der Brandung". Dass er auch mal "eckig und kantig" sein könne, sei gut: "Wir brauchen jemanden, der hinsteht." Die positive Entwicklung der Stadt sei jedenfalls auch davon abhängig, dass die richtigen Leute am richtigen Platz seien. Beate Merk war aber nicht nur als Neu-Ulmerin in den Barfüßer gekommen. Als bayerische Europaministerin spannte sie alsbald einen größeren Bogen. Sie sprach sich für Zuwanderung aus, weil die Firmen Fachkräfte bräuchten, aber gegen einen Missbrauch der Sozialsysteme durch Migranten, "die nicht arbeiten wollen". Die gelernte Juristin plädierte für ein Freihandelsabkommen mit den USA, aber ohne beispielsweise geklontes Fleisch nach Europa einführen zu lassen. Sie warb für die EU, "aber Europa soll sich nicht um jeden Kleinscheiß kümmern, den die Länder selber regeln können und sollen". Damit lag die Europaministerin ganz auf der Linie der Europaabgeordneten. Monika Hohlmeier, Franz Josef Strauß Tochter, bewies trotz angekratzter Stimme Durchhaltevermögen. EU-Kommission, öffentliche Daseinsvorsorge, Energiewende, Trinkwasserversorgung, Duschköpfe und Glühbirnen - sie nahm sich schwerer Themen ebenso an wie populärer. Griechenland durfte da nicht fehlen. Das Land sei jetzt auf einem guten Weg, doch habe es dort zum Beispiel dieses Gesetz gegeben: "Wenn ein Haus nicht fertig ist, musste man auch keine Grundsteuer zahlen. Können Sie sich ein Haus vorstellen, das je fertig geworden wäre?" Ja, manchmal wurde doch zugespitzt beim politischen Ascherdonnerstag. Aber wie Noerenberg gesagt hatte: "Wir fechten nicht mit schwerem Säbel, sondern setzen mit dem Florett feine Stiche."

Interview: Beate Merk findet neuen Job als Europaministerin großartig

Ab nach Brüssel! So heißt es seit der jüngsten Kabinettsbildung in Bayern für die Neu-Ulmer Landtagsabgeordnete Beate Merk. Sie war Justizministerin, ist jetzt Europaministerin. Was kommt da auf sie zu?

10. Januar 2014, 00:00 Uhr•Neu-Ulm/Brüssel
Dieser Artikel Von HANS-ULI THIERER erschien in der SÜDWEST PRESSE. Vielen herzlichen Dank, dass wir ihn hier veröffentlichen dürfen.

Beate Merk: Als Justizministerin zuletzt stark im öffentlichen Fokus, dürfte sie sich als bayerische Europaministerin den Kameras nun eher entziehen. © Foto: dpa

Die CSU hat eine Debatte über die angebliche Bedrohung durch Armutsflüchtlinge aus Rumänien und Bulgarien angezettelt. Gefällt das der bayerischen Europaministerin?
DR. BEATE MERK: Wir nehmen die Sorgen der Bürger auf und benennen sie deutlich - wie es Markenkern der CSU ist.

Ist das nicht plumpe Wahlkampftaktik vor der Kommunalwahl in Bayern im März?
MERK: Nochmals: Die CSU reagiert auf Hilferufe aus Städten und Kommunen, übrigens auch von SPD-Politikern wie dem Münchner Oberbürgermeister Ude oder Nürnbergs OB Maly, der Präsident des Bayerischen Städtetags ist. Alle drei Berliner Koalitionsparteien haben bereits vor Wochen im Koalitionsvertrag festgehalten, dass sie die Akzeptanz für die Freizügigkeit in der EU erhalten wollen.

Will die CSU diese Freizügigkeit überhaupt?
MERK: Sie ist ein Gewinn für alle Menschen in Europa, gerade auch für unsere Wirtschaft und unseren Arbeitsmarkt. Wir wollen gemeinsam aber noch wirksamer unterbinden, dass Sozialleistungen missbräuchlich in Anspruch genommen werden. Solidarleistungen müssen nun einmal an strenge Voraussetzungen gebunden sein. Deshalb fordern wir Änderungen im deutschen und europäischen Recht. Rumänien und Bulgarien müssen endlich die ihnen hierfür zustehenden EU-Gelder auch abrufen, um die Situation der Schwächsten zu verbessern.

Zu Ihnen persönlich: Wann erfuhren Sie durch wen, dass Sie nicht Justizministerin in Bayern bleiben, sondern Europaministerin werden?
BEATE MERK: Nach zehn Jahren als bayerische Justizministerin habe ich Ministerpräsident Horst Seehofer mein Interesse für ein neues Aufgabengebiet signalisiert. Der Ministerpräsident hat mich im Vorfeld der Kabinettsbildung gefragt, ob ich das Amt der Europaministerin übernehmen möchte.

Sie kommen sich nicht abgeschoben vor?
MERK: Ganz und gar nicht. Der neue Job ist einfach großartig. Europa steht heute im Zentrum fast jeder politischen Entscheidung. Ich habe als Ministerin für Europaangelegenheiten und Ministerin für internationale Beziehungen zwei große Aufgaben.

Die wären?
MERK: Ich knüpfe internationale Kontakte und Netzwerke in Europa und auf der ganzen Welt und vertrete bayerische Interessen.

Was heißt das konkret?
MERK: Ich mache für die Bürgerinnen und Bürger in Bayern deutlich, dass wir in Brüssel kraftvoll vertreten sind, die Europapolitik kritisch begleiten und konstruktiv unterstützen. Das Europaministerium ist kein klassisches Vollzugsministerium, sondern bietet besonderen Spielraum für strategische Planungen und Kreativität. Damit kommt es meinen Stärken entgegen. Bayerische Außenministerin ist eine fordernde Aufgabe.

Das klingt fast erleichtert. Die Endphase Ihrer Zeit als Justizministerin verlief ja durch den Fall Mollath alles andere als optimal für Sie . . .
MERK: Ich war ein Jahrzehnt Justizministerin, länger als alle meine Vorgänger. In einer solch langen Amtszeit gibt es Höhen und Tiefen. Doch auch in schwierigen Zeiten war es mir immer wichtig, ohne Wenn und Aber für die Unabhängigkeit der Justiz einzutreten. Dies ist in der Öffentlichkeit leider nicht immer ausreichend verstanden worden.

Hatten Sie seit der Entlassung von Gustl Mollath aus der geschlossenen Psychiatrie Kontakt zu ihm?
MERK: Nein, einen persönlichen Kontakt gab und gibt es nicht.

Ist der Fall Mollath für Sie abgeschlossen?
MERK: Mein Kabinettskollege Winfried Bausback ist nun der zuständige Ressortminister. Jede Einmischung meinerseits verbietet sich. Ich konzentriere mich mit Leidenschaft auf meine neue Tätigkeit, hab erste Reisen hinter mir und packe neue Herausforderungen mit Optimismus und Motivation an.

Der "Fall Europa" ist ganz und gar neu für Sie. Nochmals zu Ihren Kernaufgaben.
MERK: Schon als Justizministerin war ich in europäische Gesetzgebungsvorhaben eingebunden. Die Materie ist mir vertraut. Bei der Vertretung der Interessen Bayerns in der EU geht es im Schwerpunkt um die Gesetzgebung aus Brüssel. Ein großer Teil deutscher Politik wird durch europäisches Recht bestimmt. In der Innen-, Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Umweltpolitik sind es bis zu 80 Prozent.

Leben Sie die Woche über in Brüssel? Wie muss man sich das vorstellen?
MERK: Ich habe zwei Büros, eines in München und eines in Brüssel, zwischen denen ich regelmäßig pendle. An beiden Orten habe ich kompetente Mitarbeiterteams. Meine Pflichten als Kabinettsmitglied und gegenüber dem bayerischen Landtag nehme ich selbstverständlich in München wahr. Auch die Aufgabe, die Europapolitik im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern zu gestalten, hat ihren Schwerpunkt zu Hause in Bayern.

Kann Ihr Landtagswahlkreis, kann die Region Neu-Ulm/Ulm von Ihrem neuen Wirken profitieren?
MERK: Als Europaministerin bin ich viel in Europa und in der Welt unterwegs. Das ist Kern meiner neuen Tätigkeit. Andererseits bin ich zum Beispiel für die europäische Donauraumstrategie zuständig. Die Städte Ulm und Neu-Ulm sind mit anderen Donauanrainerstaaten historisch verbunden und können von einer wirtschaftlichen, kulturellen, ökologischen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit Südosteuropa besonders profitieren. Dafür werde ich mich als Europaministerin mit allem Nachdruck einsetzen.

Können Sie konkrete Beispiele nennen, was die Donauraumstrategie ist, respektive was sie bringen soll?
MERK: Die Donauraumstrategie bietet die Chance, die Menschen in die Europapolitik unmittelbar einzubinden, weil konkrete Projekte vor Ort erfahrbar werden - von der wirtschaftlichen Zusammenarbeit über die Sicherheit bis zum kulturellen Austausch im Donauraum.

Gehts etwas konkreter?
MERK: Für Bayern ist die Stärkung der Sicherheitsstrukturen in den neuen und potenziellen EU-Mitgliedsstaaten als Pforte zu Süd-Ost-Europa wichtig. Die wirtschaftlichen Kooperationsmöglichkeiten sind auch für unsere bayerischen Unternehmen eine interessante Perspektive. Und nicht zuletzt ist die Stärkung der gemeinsamen Ansätze im Umweltbereich sehr wichtig, denn Umweltprobleme machen nicht an Grenzen Halt.

Ihre Definition von Europa?
MERK: Die Europäische Union ist das größte Friedensprojekt der jüngeren Geschichte und hat in Europa ein halbes Jahrhundert des Friedens, der Sicherheit und des wirtschaftlichen Wohlstands ermöglicht. Dies dürfen wir angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten mancher Mitgliedstaaten nicht vergessen. Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten ist selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich muss aber Solidität sein, also die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten für eine gesunde finanzielle und wirtschaftliche Lage. Europa ist eine Wertegemeinschaft, keine Umverteilungsgemeinschaft.

Größte Herausforderung für die EU?
MERK: Schwellenländer wie China drängen mit Wucht auf die Märkte. Hier muss sich Europa weltweit behaupten und wettbewerbsfähig bleiben. Alle Mitgliedstaaten tragen Verantwortung. Daneben besteht die große Herausforderung darin, dass die Menschen die EU weiter akzeptieren und bejahen. Nur dann kann Europa dauerhaft erfolgreich sein.

Was muss dafür passieren?
MERK: Die Menschen wollen nicht, dass ihnen Brüssel in alle Lebensbereiche hineinregiert. Deshalb muss das Handeln der EU wieder auf Notwendiges zurückgeführt werden. Nicht jedes Problem in Europa ist eine Aufgabe für die Europäische Union. Ich setzte mich für ein besseres Europa ein, das sich auf die großen Aufgaben konzentriert.

Zur Person vom 10. Januar 2014