Ortsverband Fridolfing

Energiewende in der Region

Alle Erneuerbaren Energie für die Energiewende notwendig

„Es geht nicht mehr um entweder/oder, sondern um sowohl/als auch“: Mit diesen Worten stellte die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber bei einer Veranstaltung in der Fridolfinger Rupertihalle eindringlich heraus, dass alle Bereiche der Erneuerbaren Energien genutzt werden müssen, damit die Energiewende geschafft werden kann.

Seit vier Jahren ist Kaniber, CSU-Landtagsabgeordnete aus dem Berchtesgadener Land, auch Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. In Fridolfing sprach sie bei einem Informations- und Diskussionsabend der CSU-Ortsverbände im Rupertiwinkel und der Mittelstandsunion Traunstein über das Thema „Energiewende mit den Energien unserer Heimat“. In einer Diskussion unter der Leitung von Altlandrat Hermann Steinmaßl wurden verschiedenste Aspekte der Energiewende beleuchtet.

Kaniber hob hervor, dass Bayern mit einem Anteil von 52 Prozent bereits Spitzenreiter beim Ausbau der Erneuerbaren Energien sei, gegenüber 42 Prozent bundesweit. Bayern habe beispielsweise mehr Photovoltaik als Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zusammen. Bei der Windkraft strebe man – auch durch die Reform der 10h-Regelung – einen Zuwachs von 800 bis 1000 Windrädern in den nächsten Jahren an.

Großes Potenzial sieht die bayerische Staatsregierung auch in der Geothermie: Bis 2050 sollen rund 25 Prozent des Wärmebedarfs im Gebäudesektor aus dieser Form der Erneuerbaren Energien gedeckt werden. Die seit 1990 bestehende Wasserstoff-Initiative soll forciert und 50 Elektrolyseure im Zusammenspiel mit EE-Anlagen gefördert werden. Wichtige grundlastfähige Energien sind Biogas und Wasserkraft, die ebenfalls im Focus stehen.

Rund ein Sechstel der bayerischen Stromerzeugung kommt aus der Wasserkraft, darunter viele seit langem bestehende Kleinkraftwerke. Ministerin Kaniber sprach in diesem Zusammenhang das geplante Wasserkraftwerk im Tittmoninger Becken an, für das Ministerpräsident Markus Söder bei einem Vor-Ort-Termin vor wenigen Wochen seine Unterstützung zugesagt habe. Kaniber betonte, moderne Techniken, etwa sogenannte Fischtreppen, würden hier zum Naturschutz beitragen. Kaniber appellierte an die Vertreter der Naturschutzorganisationen, den Dialog zu suchen. Das bayerische Kabinett habe jüngst 20 Millionen Euro im Haushalt zugebilligt, um das Projekt, das 9000 Haushalte mit Strom versorgen soll, auf den Weg zu bringen.

„Was ist den Brüssel da eingefallen?“ fragte die Ministerin mit Blick auf den heimischen Energieträger Holz. Laut dem Entwurf für die Erneuerbare-Energien-Richtlinie auf EU-Ebene soll der Einsatz von Waldholz für die Energiegewinnung beschränkt oder ganz in Frage gestellt werden. Der „Green Deal“ würde in Konsequenz bedeuten, dass 30 Prozent der Wälder „stillgelegt“ werden und 48 Prozent Nutzholz fehlen würden. „Waldumbau ja, aber klimaresistent“ war hier die klare Ansage von Michaela Kaniber.

Vor den Ausführungen von Ministerin Kaniber hatte Dr. Birgit Seeholzer, die Geschäftsführerin der Chiemgau GmbH Wirtschaftsförderung, über die Energiesituation im Landkreis Traunstein berichtet. Seit 12 Jahren setzt sie sich intensiv mit dem Energiethema auseinander, das von immer größerer Bedeutung für den prosperierenden Landkreis ist. Exzellente Großbetriebe, ein starker Mittelstand und die Landwirtschaft sorgen für wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand in der Region.

Man habe in den vergangenen Jahren schon viel erreicht in Sachen Erneuerbarer Energien, aber auch noch Hausaufgaben zu machen, um weg zu kommen von den fossilen Energieträgern. „Wir brauchen alle Formen der Erneuerbaren, aber ohne Eingriffe in die Natur, etwa bei Windrädern, wird das nicht zu schaffen sein“, fasste Seeholzer zusammen und hob die steigende Bedeutung von Speichertechnologien und sektorenübergreifender Nutzung hervor. Seeholzer wie auch Kaniber sprachen die Defizite beim Netzausbau an, die beseitigt werden müssten.

Den Reigen der Diskutanten eröffnete der Ostermiethinger Bürgermeister Gerhard Holzner: „Wir müssen rauskommen aus unserer Komfortzone“ sagte er zum Klimawandel und der notwendigen Energiewende und betonte, beim grenzüberschreitenden Projekt Salzachkraftwerk müssten alle Beteiligten kompromissfähiger werden. „Wir müssen Dogmen überwinden und dürfen nicht mehr denken wie vor 20 Jahren.“

Robert Aigner aus Fridolfing betonte den Beitrag des Handwerks bei der Energiewende: „Handwerk und mittelständische Betriebe sind Strom- und Energieverbraucher, sie können aber auch Klimawandel!“ Seit 50 Jahren würden Solaranlagen montiert, seit 40 Jahren gebe es die Technologie der Wärmepumpen.

Ludwig Binder aus Tittmoning beklagte am Beispiel seines häuslichen Heizkessels die hohen Anforderungen in Deutschland: „Der Kaminkehrer hat mir gesagt, ich muss in drei Jahren meinen Heizkessel wieder austauschen, das wäre der dritte in 17 Jahren. Und China plant 500 neue Kohlekraftwerke.“ Dazu sagte die Ministerin, dass die Emissionsgrenzwerte immer weiter nach oben gesetzt werden, wohl auch, um den Holzverbrauch einzudämmen und den Wald zu schützen.

Zum Einwand von Robert Aigner, dass die Klimakonferenz in Kairo wenig gebracht habe und die Staaten besser zusammenarbeiten müssten, sagte Kaniber: „Die Klimaabkommen funktionieren nicht, weil sie nicht wehtun und keine Sanktionen drohen.“

Norbert Zollhauser von der Energiegenossenschaft der Raiffeisenbank Oberbayern-Südost beklagte den Planungs- und Umsetzungsstau vieler Energieprojekte. Von 47 geplanten Projekten könnten derzeit 30 nicht gebaut werden, weil die Stromnetze fehlen. Bei anderen Vorhaben, etwa Photovoltaik-Freiflächenanlagen, dauere die Umsetzung zu lange, weil in jeder Gemeinde quasi wieder neu begonnen werden müsse. Hier wünschte er sich eine Matrix für Kommunen, wie ein solches Vorhaben aufgearbeitet werden kann.

Zu Photovoltaik-Freiflächenanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen, sogenannten Agri-PV-Anlagen, meinte Ministerin Kaniber, hier schlagen zwei Herzen in ihrer Brust, da Äcker und Wiesen in erster Linie zur Lebensmittelerzeugung und -sicherung dienen sollten. Man forsche und untersuche aber, wie Energieerzeugung und landwirtschaftliche Nutzung verbunden werden könnten. Birgit Seeholzer ergänzte, man erarbeite für den Landkreis gerade eine Karte mit möglichen Flächen für PV-Anlagen.

Manfred Lebacher aus Fridolfing kritisierte, dass Mais in Biogasanlagen verheizt werde, und beklagte den relativ hohen Wärmeverlust bei Fernwärmeanlagen. Die Fridolfinger Fernwärmeanlage habe einen Wirkungsgrad von 74 Prozent, 20 Prozent seien Verlust: „Wir verblasen zu viele Hackschnitzel!“ Kritische Worte fand er auch zum hohen Energieverbrauch von Streaming-Angeboten. Das Problem der mangelnden Ladekapazitäten für E-Autos könnte laut Vorschlag von Lebacher mit Wechselbatterien gelöst werden.

Letzteren Gedanken kann die Ministerin nachvollziehen, sieht jedoch derzeit rechtliche und praktische Probleme in der Umsetzbarkeit. Zu Biogasanlagen informierte sie, dass in Bayern fünf Prozent Energiepflanzen darin landen, grundsätzlich brauche man aber Biogas beim Energiemix der Zukunft.

Franz Jäger aus Fridolfing berichtete über die Energieversorgung des größten Industriebetriebs in der Gemeinde, der bereits vor 17 Jahren mit der Umstellung von Öl auf Hackschnitzel begonnen habe. Die Vorschriften würden jedoch gerade auch in diesem Bereich exorbitant steigen. Beim Thema Energiesparen schlug er vor, „auch einmal heilige Kühe zu schlachten“ Statt über weniger und kürzere Weihnachtsbeleuchtungen zu diskutieren, könnte man internationale Fußballspiele zeitlich vorverlegen und damit jede Menge Flutlicht und weitere Energie sparen. Auch andere Sportbereiche hätten viel Einsparpotential, als Beispiel nannte er den Formel-1-Zirkus. Beim Thema Auflagen für Betriebe stimmte die Ministerin Jäger zu und meinte, das gelte auch in der Landwirtschaft: „Ein Hof mit Biogasanlage wird schon fast wie ein Atomkraftwerk behandelt.“

Altlandrat Hermann Steinmaßl meinte abschließend, einig sei man sich in der Notwendigkeit, weg von Öl und Gas zu kommen. Jeder Beitrag für den Energiemix der Zukunft sei wichtig und trage zur Unabhängigkeit bei.

Der Fridolfinger CSU-Ortsvorsitzende Wolfgang Grösch hatte die Veranstaltung eröffnet und betont, wie wichtig es sei, das Thema Energiewende „in die Breite zu tragen“. Grösch war auch Teil der Blaskapelle Fridolfing, die unter der Leitung von Michael Obernhuber den Abend zünftig musikalisch umrahmte.