Ortsverband Hilpoltstein

Hilpoltstein ist bunt

Ökumenischer Gottesdienst zum Auftakt der Aktionswoche

Einst thronte an der Gredinger Straße ein überdimensionales Hakenkreuz auf einem Obelisken über der Stadt. Kurz nach Ende des zweiten Weltkriegs wurde das Hakenkreuz durch Beschuss entfernt und noch im selben Jahr, im November 1945, ein Holzkreuz als Mahnmal errichtet.

Während des Nationalsozialismus stand an der Gredinger Straße in Hilpoltstein ein großer Obelisk, auf ihm thronte, weithin sichtbar, ein überdimensionales Hakenkreuz. „Das Hakenkreuz ist ein Zeichen für Hass, Rassismus und eine Diktatur, die wir 75 Jahre hinter uns glaubten“, mit diesen Worten eröffnete am Freitag Stadtrat Christoph Raithel einen Ökumenischen Gottesdienst. Dazu hatte die Initiative „Hilpoltstein ist bunt“ gemeinsam mit der evangelischen und der katholischen Kirchengemeinde an eben dieser Stelle an der Gredinger Straße eingeladen.

Bereits kurz nach Kriegsende im Jahr 1945, sei das Hakenkreuz per Panzerbeschuss zerstört und noch am 20. November desselben Jahres ein Kreuz als Mahnmal und in Gedenken an die Opfer eingeweiht worden. Nun, 75 Jahre später, hätte am 8. Mai ein großes Friedensfest mit vielen Vereinen, Verbänden und engagierten Einzelpersonen gefeiert werden sollen. Auf Grund der Corona-Pandemie konnte die Veranstaltung nicht stattfinden. Die Initiatoren von „Hilpoltstein ist bunt“, die Parteien und Fraktionen im Hilpoltsteiner Stadtrat, hatten sich daher nun überlegt, die Idee aufzugreifen und den ausgefallenen Gottesdienst nachzuholen.

Die Initiative wurde kurz vor den Sommerferien gegründet, um ein Zeichen für eine offene und demokratische Gesellschaft und gegen rechte Meinungsmache zu setzen.

Heute sei es nicht das Hakenkreuz, aber andere Symbole, die in Zusammenhang mit dem NS-Regime stehen, wie die Reichskriegsflagge, die beim „Sturm auf den Reichstag“ vor einigen Wochen verwendet worden seien. In Deutschland herrsche Meinungsfreiheit betonte Raithel bei seiner Einführung. In Deutschland herrsche Demokratie und jeder dürfe staatliches Handeln hinterfragen. Als mündige Bürger sei man sogar dazu aufgefordert, dies zu tun. Genauso liege es aber auch in der Verantwortung einer jeden und eines jeden Einzelnen, sich deutlich gegen rechte Ideologien und rechtsextremes Gedankengut abzugrenzen. Bei den derzeit, auch in Hilpoltstein, stattfindenden Demonstrationen sei dies nicht der Fall.

Am Altar zu Füßen des Mahnmals standen Pfarrerin Verena Fries (r) und Diakon Heinrich Hofbeck (l), die bereits für das ausgefallene Friedensfest rund um den 08. Mai einen ökumenischen Gottesdienst an gleicher Stelle vorbereitet hatten.

"Fürchte dich nicht!"

Den ökumenischen Gottesdienst gestalteten Pfarrerin Verena Fries und Diakon Heinrich Hofbeck, knapp 100 Teilnehmer zog es dazu zum Mahnmal. Musikalisch begleitet wurde die Feier von Peter Knaupp an der Gitarre. Im Lesungstext aus dem Buch Jesaja spricht Gott jeder und jedem zu „Fürchte dich nicht, denn ich stehe dir bei.“  Zu Beginn der Predigt widmete sich Diakon Hofbeck diesem Ausspruch: „Ich fürchte mich schon!“ Was, wenn ein nahestehender Mensch oder man selbst an Covid19 erkranke oder gar sterben müsse? Es sorge ihn, dass viele Existenzen bedroht seien. Die fehlenden sozialen Beziehungen würden ihn ängstigen.

Ebenso mache Hofbeck der Missbrauch der Meinungsfreiheit Angst. Dass Geschehnisse, wie in Berlin vor einigen Wochen im Deutschland des 21. Jahrhunderts möglich seien, dürfe nicht sein. Das sei unerträglich. Die Angst vor Veränderung lähme die Menschen. Es müssen neue Wege und neue Verhaltensweisen gelernt werden, das zwinge jede und jeden zur Änderung.

Der Diakon verlieh seiner Sorge Ausdruck, dass die Angst der Menschen vor Veränderung zum Türöffner für Nationalisten und Populisten werde, wie es sie bereits an vielen Stellen gebe, egal ob in Russland, in Amerika, der Türkei, in Syrien oder in Belarus.

„Fürchte dich nicht!“ setze Pfarrerin Fries den nachdenklichen Worten ihres katholischen Kollegen entgegen. Auch wenn immer wieder Angst aufkomme, spreche einem der Schöpfer „ich bin bei dir“ zu. Für sie sei es eine große Freude in einer Demokratie leben zu können. Dabei könne man sich nicht aussuchen, in welches politische System hinein man geboren werde. Aber man könne beeinflussen, was sich daraus entwickle. „Und ich möchte, dass unsere Gesellschaft so offen und so bunt bleibt, wie wir sie kennen!“ bekräftigte Fries.

Dazu brauche es aber das Zutun der Gesellschaft, nur wenn man gemeinsam Sorgen und Ängste teile und sich gegenseitig Zeit zum Lernen gebe, könne dies gelingen. Dabei sollen alle zu Wort kommen. Hass erfüllte Reden sollten jedoch verklingen und die Demokratie gefeiert werden. Fries dankte den Regierenden für ihr verantwortungsvolles Handeln.

Gott könne den Menschen eine Rückenstärkung geben, deren Hoffnung am Schwinden sei, dazu brauche es Gespräche statt Spaltung, denn ein Schwarz-Weiß-Denken stehe im Wiederspruch zur Idee Gottes.

Als Zeichen der in Hilpoltstein gelebten Inklusion nahm auch eine Wohngruppe von Regens Wagner Zell teil, die den Texten und Ansprachen dank Gebärdendolmetscherin folgen konnten.