Ortsverband München-Altstadt

Altstadtkurier - Nachgefragt beim Bezirksvorsitzenden der Kommunalpolitischen Vereinigung München

Nachgefragt beim Bezirksvorsitzenden der Kommunalpolitischen Vereinigung München

Im Gespräch mit dem Bezirksvorsitzenden der KPV München. Er ist Leiter des Referats für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München. Cornelia von Schaabner (CvS) hat Clemens Baumgärtner (CB) zu den aktuellen Entwicklungen des stationären Einzelhandels, den verkehrspolitischen Herausforderungen in der Altstadt sowie Wirtschaftsfaktoren für die Altstadt befragt

Nicht nur Karstadt und Galeria Kaufhof schließen: Immer mehr Warenhäuser in München geben auf. Riesige Einzelhandelsflächen über mehrere Etagen aufrechterhalten, das gehört scheinbar zur Vergangenheit des stationären Einzelhandels in der Münchner Innenstadt. Vielmehr geht der Trend in Richtung einer Mischung aus anteilig größeren Büroflächen und kleineren Verkaufsflächen. So beweisen dies jüngste Planungen des früheren Karstadt SPORTS, das jetzt zum „Herzog Max“ wird und damit zum neuen Arbeitsplatz für 215 Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts sowie Pläne für das frühere Kaut[1]Bullinger-Gebäude, aus dem zukünftig ein Bürohaus mit 3.100 Quadratmeter Bürofläche und nur noch 1.150 Quadratmeter Einzelhandelsfläche geschaffen wird. Grund genug beim Wirtschaftsreferenten der Stadt München, Clemens Baumgärtner, im Interview nachzufragen:

CvS: Wie bewerten Sie diese Entwicklung und wie schätzen Sie die Zukunft des Einzelhandels in der Münchner Altstadt perspektivisch ein? Was macht die Stadt, um dem Handelssterben vorzubeugen?

CB: Die Münchner Innenstadt lässt sich gut mit einem Uhrwerk vergleichen. Verschiedene Bauteile ergeben ein funktionsfähiges Ganzes. Dazu gehört das kulturelle Angebot, Theater, Kinos, die Oper, viele Galerien und Museen. Natürlich auch die leistungsfähige Gastronomie. Nicht zu vergessen die Dienstleister, Ärzte, Anwälte, Steuerberater und viele Firmen schätzen die Lage in der Innenstadt. Hinzu kommen noch die Sehenswürdigkeiten, die von Touristen frequentiert werden. Und natürlich der attraktive Einzelhandel. Alle vorgenannten Akteure tragen dazu bei, dass Menschen in die Innenstadt kommen. Und wer beispielsweise bei seinem Arzt vorbeigeschaut hat, der geht vielleicht noch gerne ein Stück Kuchen essen und Kaffee trinken oder kauft noch bei einem Einzelhändler ein, der ihn gut berät. Ein wesentlicher Aspekt für die Zukunft wird also sein, diese Frequenz mindestens zu erhalten oder besser noch zu erhöhen. Mit der Unterstützung von Zwischennutzungen, einer eigenen Innenstadtmanagerin, regelmäßigen Passantenumfragen und der engen Zusammenarbeit mit Verbänden und Institutionen, allen voran City-Partner und der Rid-Stiftung unterstützen wir aktiv vor allem auch den Einzelhandel in der Innenstadt. Auch Veranstaltungen wie das Stadtgründungsfest, der Christkindlmarkt, die IAA und nicht zuletzt Großveranstaltungen wie beispielsweise das Oktoberfest tragen dazu bei, die Münchner Innenstadt und damit den Einzelhandel zu beleben und attraktiv zu halten.

Parkplatzproblematik und Perspektive „autofreie Altstadt“

Das „große Parkplatzsterben“ in der Altstadt, welches zuerst zugunsten gastronomiefreundlicher Schani-Flächen zu Corona-Zeiten begonnen hatte, dann sukzessive ausgebaut wurde, führt zu immensen Verkehrs- und logistischen Herausforderungen in der Altstadt. Das Ziel scheint zu sein, eine autofreie Innenstadt zu schaffen.

CvS.: Wie bewerten Sie diese Entwicklung und wozu wird diese Entwicklung in der Zukunft führen?

CB: Lassen Sie mich diese Frage aus einer rein fachlichen Sicht beantworten. Zunächst einmal halte ich nichts davon, Verkehrsarten gegeneinander auszuspielen. Die tägliche Realität zeigt ja, dass die Menschen sowohl mit dem ÖPNV, als auch zu Fuß, als auch mit dem Fahrrad, aber auch mit dem Auto in die Innenstadt kommen. Im öffentlichen Raum ist ein begrenzter Platz vorhanden, der im Sinne der Frequentierung bestmöglich genutzt werden sollte. Wenn man sich dies vor Augen hält - das zeigen auch meine Gespräche vor allem mit den Einzelhändlern - dann erscheint mir eine Autofreiheit der Innenstadt praktisch nicht machbar. Allein der reine Wirtschaftsverkehr - also Anlieferung, Entsorgung, Reinigung - zudem die Zufahrt von mobilitätseingeschränkten Menschen, vor allem zu den zahlreichen Ärzten in der Innenstadt, führen zu Individualverkehr. Und dann gibt es eben auch diejenigen, die im Einzelhandel gerne und viel einkaufen und große und schwere Tüten nicht nach Hause schleppen wollen und deswegen mit dem Auto in die Innenstadt fahren. Wollen wir die wirklich an den Onlinehandel oder das Einkaufszentrum auf der grünen Wiese verlieren? Für die Zukunft brauchen wir kluge Konzepte, beispielsweise einen schnellen Lieferservice oder auch vermehrt Tiefgaragen, wie beispielsweise die gerade eben errichtete Hofbräuhaus-Tiefgarage mit Mobilitäts-Hub. Und vor allem einen attraktiven ÖPNV, der eine einfache Erreichbarkeit der Innenstadt für alle ermöglicht.

Wirtschaftsfaktor IAA

Zum zweiten Mal ist München Gastgeberstadt der Internationalen Automobilausstellung (IAA) und damit internationaler Blickpunkt für Mobilität und Innovation.

CvS: Welche Bedeutung spielt die IAA Mobility für die Stadt München? Wie viele Besucher und Aussteller werden dieses Jahr erwartet?

CB: Da gibt es viele Aspekte. Zum einen, dass wir die IAA nach München geholt haben. Das bestätigt die Attraktivität der Messe München und des Messestandorts München. Zum anderen unterstützt die IAA auch die Wahrnehmung Münchens als der deutsche Automotive-Standort. Die Automobilindustrie hat in München annähernd 100.000 Arbeitsplätze geschaffen. Und natürlich bringt die IAA wie auch andere Großveranstaltungen in einer touristisch sonst eher ruhigen Zeit viele Menschen nach München, die sonst nicht gekommen wären. Zusätzliche Kunden für Hotellerie, Gastronomie, Dienstleistungen, aber auch vor allem den Einzelhandel. Im ersten Jahr der IAA hatten wir ungefähr eine halbe Million Besucherinnen und Besucher. Ich denke, dass wir diese Zahlen auch im Jahr 2023 erreichen werden.

CvS: Die Münchner Bevölkerung kann sich dieses Jahr erneut über sogenannte „Open Spaces“ erfreuen. Können Sie uns bitte verraten, wo diese in der Münchner Innenstadt platziert sind?

CB: Königsplatz, Odeonsplatz und Ludwigstraße, Wittelsbacherplatz, Hofgartenstr, die Residenzhöfe, der Max-Joseph-Platz und der Marienplatz. Sie sind ohne Messeticket kostenfrei zugänglich.

CvS: München steht zu Frankfurt in Konkurrenz, welches jahrzehntelange Austragungsstätte der IAA war. Wo liegt der große Unterschied des Münchner IAA[1]Konzepts zur Frankfurter IAA?

CB: Die Open Spaces mit der Möglichkeit zum Ausprobieren und vielen anderen Erlebnissen gab es in Frankfurt nicht. Sie machen die IAA und somit die Mobilität der Zukunft in allen Verkehrsarten nicht nur für Fachbesucher, sondern für ein breites Publikum - kostenfrei - erlebbar. Zudem ist die Messe München nicht nur ein räumlich attraktiver Austragungsort. Die engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben zusammen mit der Geschäftsführung ganz maßgeblich am neuen Konzept der IAA mitgearbeitet. Weg von einer reinen Autoschau hin zu einer Mobilitätsmesse. Das hat erheblich dazu beigetragen, dass die Messe aus Frankfurt nach München gekommen ist.

Drei-Wünsche

CvS: Stellen Sie sich vor, Sie hätten bei einer guten Fee drei Wünsche frei. Was würden Sie der Altstadt und deren Bürgern wünschen?

CB: Erst einmal eine lebenswerte Altstadt, die ihren liebenswerten Charakter als gute Stube Münchens beibehält und gerade deswegen auch in der Zukunft erfolgreich sein wird. Zum Zweiten, dass die Anliegen der Anwohnerinnen und Anwohner in der Altstadt ernst genommen werden. Und zu guter Letzt, dass es auch in der Zukunft viele gute Einzelhändler gibt, die dem Onlinehandel Paroli bieten.

CvS: Wenn man das Gespräch mit Clemens Baumgärtner führt, der als Wirtschaftsreferent in Personalunion auch der Wiesn-Chef ist, sei eine Frage zum größten Volksfest der Welt gestattet. Die Wiesn ist eine logistische und sicherheitstechnische Mammut-Aufgabe mit ca. 6 Millionen Besuchern, ca. 13.000 Beschäftigten und ca. 7 Mio. Liter Bierkonsum. Wieviel Prozent Ihrer gesamten Arbeitszeit entfällt denn auf die Vorbereitung/ Durchführung und Nachbereitung des Oktoberfests?

Nach der Wiesn ist vor der Wiesn. Das Oktoberfest beschäftigt mich das ganze Jahr, für mich ist es eine Herzensangelegenheit. Die Wochen vor und nach der Durchführung des Oktoberfestes auch ziemlich intensiv. Insgesamt aber nimmt das Oktoberfest einen eher untergeordneten Anteil meiner Arbeitszeit ein. Aber ich freu mich immer, wenn ich mich damit beschäftigen darf.

CVS: Vielen Dank für Ihre Zeit und das Interview!