Einführung eines einheitlichen Arbeitsrechtes (Arbeitsgesetzbuch)

Beschluss des Landesvorstands der Mittelstands-Union

vom 19. Juli 2019 in Ansbach

 

Einführung eines einheitlichen Arbeitsrechtes (Arbeitsgesetzbuch)

 

Beschluss:

Wir fordern die neue Justizministerin und die Bundesregierung auf, ein einheitliches Arbeitsrecht in Form eines Arbeitsgesetzbuches zu schaffen.

Begründung:

In Deutschland gibt es kein einheitliches Arbeitsrecht! Mit Beginn der Industrialisierung wurden einzelne Maßnahmen erschaffen und in einzelne Gesetze verpackt. Später wurden in fast allen Gesetzbüchern, beginnend mit dem Grundgesetz arbeitsrechtliche Normen geschaffen. Mittlerweile gibt es über 30 verschiedene Rechtsgrundlagen von Europarichtlinie bis zum Strafgesetzbuch.

Die Arbeitswelt befindet sich mittlerweile zum vierten Mal im Wandel. Gerade jetzt brauchen wir Sicherheit und Klarheit für alle handelnden Personen. Neue Arbeitsformen entstehen und müssen rechtskonform gemacht werden. Klassische Arbeitsverhältnisse müssen ihre Rechtsnormen behalten. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und mehr als überfällig.

In Artikel 30 des Einigungsvertrages wurde klar geregelt, dass das Arbeitsrecht zu kodifizieren sei. Das ist bis heute nicht geschehen.

Eine Kodifizierung entlastet die Bürokratie und schafft Rechtssicherheit.

 

 

Anlage: Das deutsche Arbeitsrecht – eine Bestandsaufnahme

Das deutsche Arbeitsrecht ist ein Rechtsgebiet, das die Rechtsbeziehungen zwischen einzelnen Arbeitnehmern und Arbeitgebern (Individualarbeitsrecht) sowie zwischen den Koalitionen und Vertretungsorganen der Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber (Kollektives Arbeitsrecht) regelt.

Mit Beginn der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und deren sozialen Missständen begannen die ersten zögerlichen Rechtsnormen zu entstehen, wie das Verbot der Kinderarbeit. Auch wurden die ersten Sozialversicherungen geschaffen. Es bestand aber immer noch größtenteils die Privatautonomie, sodass es kein kollektives Arbeitsrecht gab.

Das deutsche Arbeitsrecht besteht anders beispielweise als die Regelwerke in Italien und anderen Ländern aus einem ungeordneten Sammelsurium aus Vorschriften, die nicht immer lückenlos und widerspruchsfrei ineinandergreifen und es Arbeitnehmern wie Arbeitgebern erschweren, ihre Rechte und Pflichten schnell in Erfahrung zu bringen.

In der Weimarer Verfassung wurde der sogenannte Räteartikel (Art. 165) aufgenommen, der ein dreistufiges Rätesystem vorsah, mit den Betriebsräten als Basis. Es wurde aber nur diese Betriebsräte verwirklicht, die anstatt einer politischen eine wirtschaftliche Interessenvertretung wurde. Dies resultierte vor allem daraus, dass die Räterepublik verhindert werden sollte und die Gewerkschaften durch die Unternehmer anerkannt wurden. In der Weimarer Republik entstanden weitere Arbeitsschutzgesetzte, vor allem wurde aber die Koalitionsfreiheit eingeführt.

Im Nationalsozialismus wurde das kollektive Arbeitsrecht abgeschafft, aber weitere Arbeitsvertragsrechte und Arbeitsschutzrechte eingeführt.

Auch nach dem zweiten Weltkrieg wurden nur einzelne Themen in einzelnen Gesetzen geregelt. Das deutsche Arbeitsrecht ist in folgenden Gesetzen geregelt:

  • Europarecht (meist als Richtlinien)
  • Deutsche Gesetze:
    • Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland insb. Art. 9 Abs. 3, Koalitionsfreiheit
    • Bürgerliches Gesetzbuch insbes. §§ 611 ff., Dienstvertrag
    • Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns – Mindestlohngesetz
    • Arbeitnehmer-Entsendegesetz
    • Kündigungsschutzgesetz
    • Betriebsverfassungsgesetz und Personalvertretungsgesetze (PersVG – öffentlicher Dienst)
    • Tarifvertragsgesetz
    • Mitbestimmungsgesetze (Montan-MitbestG, MitbestG und DrittelbG) regeln die Beteiligung der Arbeitnehmer am Aufsichtsrat
    • Altersteilzeitgesetz
    • Gewerbeordnung insbes. §§ 105 ff.
    • Handelsgesetzbuch insb. §§ 59 ff. (Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge)
    • Teilzeit- und Befristungsgesetz
    • Entgeltfortzahlungsgesetz
    • Bundesurlaubsgesetz
    • Arbeitszeitgesetz
    • Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
    • Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeldgesetz
    • Pflegezeitgesetz und Familienpflegezeitgesetz
    • Nachweisgesetz
    • Arbeitsplatzschutzgesetz
    • Jugendarbeitsschutzgesetz
    • Berufsbildungsgesetz sowie Ausbildungsverordnungen der einzelnen Berufe
    • Arbeitsschutzgesetz, Arbeitsstättenverordnung sowie Bildschirmarbeitsverordnung
    • Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG)
    • Berufskrankheiten-Verordnung
    • Viertes Buch Sozialgesetzbuch insbes. §§ 8, 8a Geringfügige Beschäftigung
    • Neuntes Buch Sozialgesetzbuch, Schwerbehindertenrecht
    • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
    • Gesetz über Arbeitnehmererfindungen zusammen mit der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen
    • Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG)
    • Arbeitsgerichtsgesetz
    • Gesetz über die Statistik der Verdienste und Arbeitskosten (Verdienststatistikgesetz – VerdStatG)
    • Strafgesetzbuch § 291 (Lohnwucher nach BAG, Urteil vom 24. März 2004 - 5 AZR 303/03)
    • Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages (Beitragsverfahrensverordnung – BVV)
    • diverse Rechtsverordnungen über Mindestarbeitsbedingungen für einzelne Branchen
  • Tarifverträge für Branchen sowie Einzelunternehmen
  • Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen (öffentlicher Dienst)
  • Einzelarbeitsverträge
  • nicht das so genannte Richterrecht, da dieses rechtlich nicht bindend und somit keine Rechtsquelle ist. Faktisch kommt dem Richterrecht aber eine große Bedeutung im Arbeitsrecht zu, speziell im gesetzlich völlig ungeregelten Arbeitskampfrecht.

 (Zur Rangordnung der unterschiedlichen Rechtsquellen vergleiche Günstigkeitsprinzip sowie Normenpyramide im Arbeitsrecht)

Obwohl in Artikel 30 Absatz 1 des Einigungsvertrages zwischen der BRD und der DDR festgeschrieben ist, das die arbeitsrechtlichen Themen möglichst bald einheitlich neu zu kodifizieren sind, ist es bis heute nicht dazu gekommen.

Dies ist nun 29 Jahre her! In diesen 29 Jahren hat sich die Arbeitswelt stetig weiterentwickelt. Wir sind im Informationszeitalter angekommen und viele Aufgaben können in unserer digitalen Arbeitswelt schneller und effizienter von Computern und Maschinen erledigt werden. Dadurch entstehen neue Ressourcen für den Menschen, die aber mit dem starren Arbeitsschutz und dem Arbeitsvertragsrecht nicht mehr rechtskonform umgesetzt werden können oder für die es keine Normen gibt.

Coworking Spaces, Plattformen oder anderen neuen Systeme geben nicht die klassischen Arbeitnehmermerkmale wieder. Wenn es nicht in Deutschland geregelt wird, werden diese Tätigkeiten im Ausland ausgeübt und wir haben wieder einmal ein Wettbewerbsnachteil.

So müsste unter anderem das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz überarbeitet werden, die Soloselbständigkeit eingeführt und deren Handhabung in der Sozialversicherung geklärt werden.

Befristungen müssen klar geregelt werden. Hier geht es vor allem um die projektbezogene Befristung. Vorbefristungen beim selben Arbeitgeber dürfen bei Projekten nicht angerechnet werden.

Mitbestimmungsregelungen in Bezug auf Digitalisierung und Software abstimmen. Eine Ausspionierung des Arbeitnehmers darf es nicht geben. Der Mitarbeiter sollte im Arbeitsschutz mehr eingebunden werden und die Arbeitsstättenverordnung differenziert beachtet werden.

Die täglich zulässige Arbeitszeit sollte in eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit, wie im EU—Recht geregelt, eingeführt werden.

Klassische Arbeitnehmermodelle, die historisch gewachsen sind, wie zum Beispiel in der Produktion, sollen ihren vorhandenen Schutz aber nicht verlieren.

Wir sind für ein einheitliches Arbeitsrecht (Arbeitsgesetzbuch), wie in Artikel 30 des Einigungsvertrages geregelt.