Interview mit der WELT

"Wir blicken nach vorne!"

Frage: Herr Blume, am Samstag wählt die CDU einen neuen Vorsitzenden. Er wird Friedrich Merz heißen. Fühlen Sie sich schuldig? 

Markus Blume: Wir blicken alle nach vorne. Nur gemeinsam können wir stark sein. Wir freuen uns vor allem auf eine neue und gute Zeit für die Union.

Frage: Es ist kein Geheimnis, dass die CSU-Führung jahrelang Merz eher als ein Problem der Union, denn als ihren Heilsbringer ansah. 

Markus Blume: Markus Söder und Friedrich Merz haben vor zwei Wochen in Oberbayern ein sehr gutes Gespräch geführt. Wir alle haben vereinbart, dass wir uns nun an den Kraftakt machen, die Union wieder zu stärken und uns für die kommenden Landtagswahlen gut aufzustellen. Wir werden nicht erfolgreich sein, wenn wir zurückschauen. Im Gegenteil: Wir wollen das Gewinner-Gen wieder freilegen.

Frage: Es geht das Gerücht, dass es künftig eine wöchentliche Besprechung beider Parteien geben soll. Können Sie das bestätigen? 

Markus Blume: Ich halte es für gut und wichtig, dass man sich regelmäßig im Kreis von Parteivorsitzenden, Fraktionsvorsitzenden und Generalsekretären abstimmt. 

Frage: Wenn Friedrich Merz den Fraktionschefposten möchte, hat er die Unterstützung der CSU? Die hat ihn schon einmal 2002 hängen lassen. 

Markus Blume: Die Frage muss die Fraktion zu gegebener Zeit besprechen.

Frage: Die größte Arbeit steht der Union noch bevor. Sie muss neue inhaltliche Pflöcke einrammen, muss Positionen, Haltungen entwickeln. Wo? 

Markus Blume: Wir müssen Grundsatzfragen als bürgerliche, liberalkonservative Kraft beantworten. Als Union haben wir immer für ein Freiheitsversprechen gestanden, das müssen wir wieder erneuern und mit Verantwortung verbinden. Fairness ist für mich ein großes Thema. Leistungsgerechtigkeit kommt bei der Ampel doch völlig unter die Räder. Wer sich anstrengt,soll mehr haben, als der, der dies nicht tut. Und wer ein Leben lang arbeitet, soll davon im Alter leben können. Wir wollen die Leistungsträger des Alltags stärken. Die Ampel ist dagegen eine Teuer-Koalition und unternimmt nichts gegen Inflation und steigende Preise. 

Frage: Ist die Impfpflicht nicht ein Widerspruch zu ihrem Freiheitsversprechen? 

Markus Blume: Wir müssen uns frei machen von Corona. Corona überwindet man nicht, indem man auf der Straße protestiert oder in Talkshows klug daherredet. Der Schlüssel, um unsere alte Freiheit zurückzuerhalten, ist das Impfen. Freiheit heißt Impfpflicht für alle anstatt Einschränkungen für alle. 

Frage: Der Bundeskanzler hat die unter 18-Jährigen ausgenommen. Gehen Sie da mit? 

Markus Blume: Fakt ist: Es gibt doch gar keine offizielle Haltung des Bundeskanzlers zur Impfpflicht! Ich wäre schon froh, wenn Olaf Scholz bei der Impfpflicht von seiner persönlichen Meinung zu einer abgestimmten Regierungslinie finden würde. Es ist doch abenteuerlich, dass in der entscheidenden Frage der Pandemie die neue Regierung handlungsunfähig ist. Die Ampel ist in der Lage, schnell ein Gesetz über die Abschaffung des Werbeverbots bei Schwangerschaftsabbrüchen vorzulegen, aber unfähig, die Impfpflicht in ein Gesetz zu gießen. Das ist skandalös.

Frage: Warum buchstabiert nicht die CSU im Bundestag einen Gesetzesvorschlag aus, der dann als Gruppenantrag eingebracht wird. Man beklagt sich doch immer, dass man in der Opposition nicht genug gestalten könne. 

Markus Blume: Manch einer reibt sich gerade die Augen, der sich mehr Führung und Gestaltungskraft von der neuen Regierung erhofft hatte. Es ist als Opposition nicht unsere Aufgabe, die Arbeit der Regierung zu erledigen. Wir sind konstruktiv, wenn es das Corona-Management erfordert. Aber es ist Ur-Aufgabe der Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Frage: Braucht es die Impfpflicht wirklich? Nach der Omikron-Welle betrifft sie nur ein paar wenige Prozent Erwachsene, die weder geimpft, noch genesen sind. 

Markus Blume: Impfen ist der einzige zuverlässige Schutz bei Corona gegen schwere und schwerste Verläufe. Nur das entlastet dauerhaft das Gesundheitssystem. Alle Corona-Debatten werden wir nur hinter uns lassen, wenn wir die Impfpflicht haben. Die Zahl der Ungeimpften ist noch deutlich zu groß. 

Frage: Markus Söder hat ein Umdenken der Corona-Politik angekündigt. Steht dahinter nicht die Angst, die Bayern so sehr gegeneinander aufzubringen, dass man sich an Söder 2023 zur Landtagswahl als denjenigen erinnert, der den Unfrieden gestiftet hat? 

Markus Blume: Unsinn! Markus Söder hat als „Team Vorsicht“ den Freistaat gut durch die Krise gebracht. Politisch erfolgreich ist nur das Rezept, Corona zu überwinden. Corona eignet sich nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen. Man muss es konsequent bekämpfen. 

Frage: Die aktuelle Koalition aus CSU und Freien Wählern hätte gerade keine Mehrheit. 

Markus Blume: Wir kommen von einer Bundestagswahl, die für uns schmerzhaft war. Ich freue mich, dass wir beim Trend nicht mehr bei 32 Prozent, sondern bei 36 Prozent liegen. Das ist natürlich viel zu wenig. Gemessen an den gesamtgesellschaftlichen Zumutungen der letzten beiden Jahre und den Herausforderungen dieser Tage stehen wir politisch nicht gerupft, sondern immer noch ordentlich da. Wir wollen uns nach Corona der Heilungsaufgabe stellen, das Land, die Gesellschaft wieder zu versöhnen. Corona hat viele Wunden geschlagen. Davon ist keine Regierung unberührt geblieben. Ich finde, Markus Söder und die CSU sind auf dem richtigen Weg. 

Frage: Das Verwaltungsgericht hat die 2G-Regel im Einzelhandel gekippt. Bleibt es dauerhaft beim Zugang auch für Ungeimpfte? 

Markus Blume: Wir werden das so lassen. Das gehört in die Kategorie: weniger tägliche Beschränkungen im Kleinen, dafür eine klare Linie bei der Impfpflicht für alle.

Frage: Bayern hat lange die Inzidenz der Ungeimpften auf den Intensivstationen falsch, weil viel zu hoch dargestellt. Wie schwer wiegt dieser Fehler?

Markus Blume: Die Grundthese, dass Ungeimpfte um einen Faktor mehr gefährdet sind als Geimpfte, an Corona zu erkranken, auf der Intensivstation zu landen oder zu sterben, ist wissenschaftlich unbestritten. Das zeigt der tägliche Blick in die Intensivstationen. Deshalb ist die Frage, wie sich der Anteil der Ungeimpften auf die letzte Nachkommastelle genau bemisst, für politische Entscheidungen nicht erheblich und war es auch nicht. 

Frage: Müsste man die Corona-Regeln, die noch auf die Delta-Variante oder gar die Alpha-Variante Bezug nehmen, mit Blick auf Omikron auf den Prüfstand stellen? 

Markus Blume: Man sollte es sicher nicht so machen wie Boris Johnson in Großbritannien und Corona für beendet erklären, um von diversen ‚Veranstaltungen‘ in der Downing Street abzulenken. Aber wahr ist, mit Omikron ändern sich die Grundlagen. Wir brauchen einen Omikron-Check für das Corona-Management in Deutschland. Die kommende Ministerpräsidentenkonferenz kann ein wichtiger Meilenstein sein, um über diese Dinge zu reden. 

Frage: In der Schweiz gilt man zwölf Monate als genesen, in Österreich sechs, in Deutschland neuerdings drei. Das versteht doch keiner. 

Markus Blume: Ich verstehe das auch nicht. Eine so zentrale Feststellung bedarf mehr Kommunikation durch das Robert-Koch-Institut als eine bloße Änderung auf der Website. Hier ist Karl Lauterbach gefordert: Er hat bis heute weder eine Erklärung geliefert noch den Bedenken der Länder Rechnung getragen, obwohl er das im Bundesrat zugesagt hatte. Vielleicht sollte er den Schwerpunkt seiner Arbeit etwas stärker von den Talkshows ins Ministerium verlagern. 

Frage: Lassen Sie uns noch kurz über ein paar Ampel-Politiker sprechen. Wie bewerten Sie die bisherige Leistung von Christian Lindner? 

Markus Blume: Christian Lindner hat schon nach zwei Monaten das Versprechen des soliden Haushalts mit einem 60-Milliarden-Schattenhaushalt begraben. 

Frage: Innenministerin Nancy Faeser? 

Markus Blume: Da irritiert mich, dass sie als Bundesinnenministerin die Grundkoordinaten des Migrationsrechts verschiebt. Wir brauchen keine massive Ausweitung der Zuwanderung, zumal wir in der EU bereits den Hauptteil der humanitären Verantwortung schultern. 

Frage: Wer könnte eigentlich der Andreas Scheuer werden? 

Markus Blume: Wenn Sie wissen möchten, wer Verkehrsminister ist: das ist Volker Wissing, der gerade mit einem Federstrich den Verbrennungsmotor beerdigt hat. Technologieoffenheit war im Verkehrsministerium aus gutem Grund immer groß geschrieben worden – bis vor der Wahl übrigens auch von der FDP.