Kreisverband Dillingen a. d. Donau

Bezirkstag

Haushaltsrede von Dr. Johann Popp

Dr. Johann Popp

Haushaltsrede vom Bezirkrat Dr. Johann Popp,
gehalten im Bezirkstag am 14.02.2019

Herr Bezirkstagspräsident,
Herr Regierungspräsident,
Meine sehr verehrten Damen und Herren,

heute berät und entscheidet der neu gewählte Bezirkstag über seinen ersten Haushalt. Hinter uns liegen Monate des Wahlkampfs und vermutlich hätte sich jeder einzelne von uns das Wahlergebnis etwas anders gewünscht. Aber wenn wir ehrlich sind: Das Hauptthema im Wahlkampf waren nicht gegensätzliche Positionen zur Bezirkspolitik und auch nicht ein Ringen um die besten Konzepte, nein, der Wahlkampf war wieder einmal geprägt von einem Problem, das sich für alle Beteiligten in gleicher Weise gestellt hat: Von der Frage nämlich, was der Bezirk Schwaben eigentlich ist, welche Aufgaben er hat und welche Rolle er für das Leben des einzelnen Menschen spielt. Mit diesem Problem, wie der Bezirk Schwaben wahrgenommen wird, schlagen sich die erfahrenen Bezirksräte schon längere Zeit herum und manchmal möchte man meinen, dass es sich um einen aussichtslosen Kampf gegen das öffentliche Desinteresse handelt, um eine Sisyphus-Arbeit im politischen Betrieb. Da werden die Bezirksräte mit genau dem gleichen Verwaltungsaufwand gewählt wie die Landtagsabgeordneten, aber kaum ist die konstituierende Sitzung vorbei, erlischt das Interesse der Medien schlagartig und obwohl Schwaben über 1,8 Millionen Einwohner hat, kommen zu den Bezirkstagssitzungen üblicherweise weniger Zuhörer als bei jedem Gemeinderat.

Ich will aber heute nicht mit dem Finger auf andere zeigen, sondern ich will fragen: Was können wir tun, um den Bezirk aus dieser Schattenlage heraus stärker als bisher in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken? Ansätze dazu gibt es durchaus. Die Außensprechstunden beispielsweise, die die Bezirksverwaltung an zahlreichen Orten über ganz Schwaben verteilt abhält, sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Sie finden zwar nur einmal im Monat statt, aber sie sind stets gut besucht. Sie ersparen weite Wege und die Suche nach der richtigen Anlaufstelle in Augsburg. Das Motto könnte dabei lauten: Der Bezirk kommt zu den Menschen.

Einen Schritt weg von den Zentren und hin zu den Regionen stellen letztlich auch die sog. Pflegestützpunkte dar. Auch wenn es sich bei der Errichtung dieser Stützpunkte primär um eine Aufgabe der Pflege- und Krankenkassen handelt, spielen die Themen, für die der Bezirk zuständig ist, dabei zwangsläufig eine entscheidende Rolle. Der Grundgedanke ist ja: Wer mit dem Thema “Pflege” zu tun hat, und dies geschieht häufig sehr schnell und unerwartet, der soll an einer Stelle alle Informationen erhalten, die er in dieser Situation benötigt. Dazu gehört auch, dass er im Ernstfall nicht eine Vielzahl von Einrichtungen abklappern muss, um einen Kurzzeitpflegeplatz zu finden, sondern mit einem einzigen Anruf bei einer aktuell geschalteten Kurzzeitpflegebörse erfährt, wo es einen freien Platz gibt. Gemeinsam mit der Fraktion der Grünen haben wir einen Antrag gestellt, der genau dies zum Inhalt hat.

Aber wir sollten überlegen, ob wir nicht noch einen Schritt weiter gehen. Warum sollen Anträge aus der Bevölkerung im Rahmen der Außensprechstunden nur entgegengenommen werden, warum soll dabei nur Beratung erfolgen? Was spricht eigentlich dagegen, dass auch die Bearbeitung dieser Anträge dezentral, d.h. an Außenstellen des Bezirks in den einzelnen Landkreisen erfolgt? In solchen Regionalgeschäftsstellen, man könnte sie auch Kompetenzzentren nennen, könnte eine regionale, eine dezentrale Bündelung all der Themen stattfinden, die mit dem Bezirk, mit Pflege und Inklusion zu tun haben, einschließlich auch der Gemeindepsychiatrischen Verbünde. Auf diesem Wege hätte die Bezirksverwaltung auch ein Gesicht vor Ort, wäre regional wahrnehmbar und ein fester Bezugspunkt für die Bevölkerung.

Zwei Punkte will ich in diesem Zusammenhang noch ansprechen: Die elektronische Akte, deren Einführung wir von der CSU-Fraktion von Anfang an unterstützt haben, ermöglicht eine dezentrale Arbeitsweise. Denn ob ein Sachbearbeiter in Augsburg tätig ist oder beispielsweise in Kaufbeuren, ist im Prinzip egal. Eingehende Schriftstücke werden eingescannt und können überall zeitnah bearbeitet werden. Die Digitalisierung eröffnet hier neue Möglichkeiten, bürgernah zu arbeiten. Zweitens geht es ja auch um die Gewinnung von Fachkräften in der Verwaltung. Wenn diese nicht auf einen Arbeitsplatz in Augsburg festgelegt sind, sondern ihren Beruf in ihrer Heimatregion in einem Bürgerbüro des Bezirks ausüben können - vielleicht sogar im Home-Office - dann stärkt das sicherlich unsere Aussicht, qualifiziertes Personal zu gewinnen. Wir würden damit ja die Arbeit zu den Menschen bringen - oder, wenn man nochmals unsere Außensprechstunden als Maßstab nimmt - ausnahmsweise nach dem Grundsatz “stationär vor ambulant” handeln.

Und - nebenbei bemerkt - wenn der Bezirk zu den Menschen kommt und regional präsent ist, kann ich mir auch nicht vorstellen, dass wieder eine Diskussion zur Abschaffung der Bezirke entsteht, wie dies vor etwa 15 Jahren sehr ausgeprägt der Fall war.

Natürlich kann ein solcher Eingriff in die Struktur der Verwaltung nur schrittweise erfolgen. Aber auch eine Weltreise beginnt ja bekanntlich mit dem ersten Schritt. Und ich bin sicher, dass wir im nächsten Wahlkampf viel eher und viel einfacher erklären könnten, was der Bezirk Schwaben tut. Deshalb würde ich anregen, dass sich unser neu gegründeter Personalausschuss demnächst mit dieser Thematik befasst.

 

Der Haushalt 2019 ist - wie auch in allen zurückliegenden Jahren - geprägt vom Thema “soziale Sicherung”. Über 20 000 Menschen in Schwaben erhalten Unterstützung vom Bezirk und angesichts der demographischen Entwicklung muss man auch kein Prophet sein und auch kein Schwarzmaler, wenn man davon ausgeht, dass es eher mehr werden als weniger. Der immer größeren Nachfrage nach Pflegeleistungen steht leider kein entsprechendes Angebot von Personen gegenüber, die diese Pflegeleistungen erbringen können und wollen. Der akute Mangel an Pflegekräften auch in Schwaben war für uns Anlass, gemeinsam mit der Fraktion der FW die Initiative für einen “Aktionsplan zur Fachkräftesicherung” zu ergreifen. Neben einer Analyse der zunehmend schwieriger werdenden Ausgangslage soll es dabei auch um konkrete Schritte gehen, um die Rahmenbedingungen für den Pflegeberuf, aber auch die ihm entgegengebrachte Wertschätzung zu verbessern. Das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz, das seit Juli 2018 in Kraft ist, enthält die Aufforderung an die Bezirke, flächendeckend Krisendienste für Menschen mit psychischen Problemen zu schaffen. Neben einer Leitstelle soll dies durch einen mobilen, einen aufsuchenden Dienst geschehen. Dies kann man nur begrüßen. Manches lässt sich schon vor Ort lösen - ambulant vor stationär. Denn es macht einen Riesenunterschied, ob ein Patient zusätzlich zu einer akuten Zuspitzung seiner Grunderkrankung auch noch einen mit Hilfe der Polizei durchgeführten Ortswechsel mit anschließender Aufnahme in die geschlossene Abteilung eines BKH erleben muss. Ein doppelt traumatisches Erlebnis! Ganz abgesehen davon ist es auch für die Richtigkeit der Diagnose von Vorteil, wenn eine Fachkraft oder ein Arzt die konkreten häuslichen Lebensumstände des Patienten vor Ort kennenlernt. Der Krisendienst, dessen Leitstelle bei uns an das BKH Augsburg angekoppelt ist, ist dort in guten Händen.

Überhaupt sind unsere Bezirkskliniken ein Vorzeigeunternehmen. Die Kooperation mit der medizinischen Fakultät der Universität Augsburg und mit der Uniklinik wird dem BKH zusätzlichen wissenschaftlichen Schub verleihen. Die Erfahrungen, die wir in dieser Hinsicht schon seit vielen Jahren mit dem BKH Günzburg im Verhältnis zur Uniklinik Ulm gesammelt haben, sind außerordentlich positiv. Unsere Chefärzte tauchen bei allen bundesweiten Rankinglisten auf vordersten Plätzen auf. Die nicht ganz einfache Aufnahme des Therapiezentrums Burgau unter das Dach der Bezirkskliniken ist vorbildlich gelungen und mit dem 100-Mio-Neubau in Günzburg wird auch dort eine neue Ära begründet. Wirtschaftlich stabil, fachlich anerkannt und innovativ, baulich verbessert, das sind unsere Bezirkskliniken - und mit mittlerweile 4250 Beschäftigten sind sie auch noch einer der größten Arbeitgeber der Region! Da ist es kein Wunder, dass der Vorstandsvorsitzende, Herr Düll, zum Sprecher der Direktoren der bayerischen Bezirkskliniken gewählt worden ist. Herzlichen Dank für Ihren Einsatz!

Der Bezirk kümmert sich auch in diesem Jahr besonders um die schwäbische Kultur - wer sollte dies auch sonst tun. “Schwaben als Heimat erlebbar machen”, so könnte die Überschrift lauten. Wolfgang Bähner hat dazu kürzlich gesagt: “Kultur als weicher Standortfaktor spielt für viele Menschen eine entscheidende Rolle bei der Suche nach ihrem Lebensmittelpunkt.” Dem kann ich nur zustimmen. Dabei geht es ja nicht nur darum, dass Menschen aus anderen Regionen Deutschlands nach Schwaben umziehen, sondern es geht auch darum, dass unsere nachwachsende Generation sich hier wohlfühlt, ihre Wurzeln spürt und dableibt. Deshalb unterstützen wir alles, was die schwäbische Identität stärkt und Traditionen bewahrt. Die Museen des Bezirks leisten hier einen wichtigen Beitrag. Zu den Museen gehören auch die entsprechenden Depots, die uns im Falle von Oberschönenfeld und von Maihingen in den nächsten Jahren noch beschäftigen werden. Zur schwäbischen Identität gehört aber auch unsere Natur und Umwelt, der Erhalt der heimischen Flora und Fauna, ganz gleich ob es seltene Fischarten oder alte Obstbaumsorten sind.

Wie aber sollen all diese vielfältigen Aufgaben des Bezirks finanziert werden? Die Signale, die wir aus den Verhandlungen zum kommunalen Finanzausgleich 2019 erhalten haben, geben kaum Anlass zum Jubel. Die staatlichen Zuweisungen des Vorjahrs werden zwar auch für 2019 festgeschrieben. “Festgeschrieben” heißt aber auch: sie werden nicht erhöht, trotz tariflicher Kostensteigerungen, trotz Übernahme zusätzlicher Aufgaben und trotz Fallzahlmehrung in allen Bereichen. Wenn man sieht, wie sich Städte, Gemeinden und Landkreise bei den FAG-Gesprächen durchgesetzt haben, muss man leider sagen: Bei den Bezirken Fehlanzeige!

Das zweite Thema in diesem Zusammenhang sind die Rücklagen. Ja, es ist richtig, sie sind bei uns derzeit erfreulich hoch, sie lagen Ende 2018 bei 71,5 Mio und damit deutlich über der Mindestrücklage von etwa 10 Mio. Aber diese zunächst beeindruckende Summe relativiert sich sehr schnell, wenn man bedenkt, dass sie nicht einmal den Aufgaben entspricht, die wir für 2 Monate überörtliche Sozialhilfe aufwenden müssen. Die Erfahrungen zuletzt aus den Jahren 2011 und 2012 zeigen, dass Rücklagen sehr schnell zusammenschmelzen können und in der Folge zu einer deutlichen Erhöhung der Bezirksumlage zwingen, die die Umlagenzahler gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Rezession dann besonders empfindlich trifft. Damit bin ich beim Thema “Bezirksumlage”, ein Thema, über das man nicht nur reden kann, sondern reden muss. Die allermeisten von uns sind ja gleichzeitig Mitglieder in einem Kreistag oder Stadtrat, kennen das Problem also von zwei Seiten. Heute geht es dabei um einen fairen Interessensausgleich zwischen den verschiedenen kommunalpolitischen Ebenen. Und dabei spricht heuer alles dafür, den Hebesatz der Bezirksumlage nicht zu senken, sondern unverändert bei 22,4 Prozentpunkten zu belassen. Ich möchte dafür 4 Gründe nennen:

Erstens ist Kontinuität gerade in den bewegten Zeiten, in denen wir derzeit leben, schon ein Wert an sich. Berechenbarkeit und Planungssicherheit für alle Beteiligten sind ein hohes Gut. Gerade in Zeiten einer sich spürbar eintrübenden Konjunktur, die auch an unserer Region nicht spurlos vorübergehen wird, sollte der Bezirk das seine tun, um allzugroße Ausschläge abzufedern.

Zweitens werden die Aufgaben des Bezirks ja nicht weniger, im Gegenteil: Seit letztem Jahr sind wir auch für die ambulante Pflege zuständig und entlasten damit die Umlagezahler in einer Größenordnung von 12 Mio. jährlich. Dass die Ausgaben für die Pflege ohnehin von Jahr zu Jahr um etwa 30 Millionen Euro steigen, ist so ziemlich das einzige, worauf man sich verlassen kann. Die Pflege ist, wenn man so will, ein echter Wachstumsmarkt.

Drittens ist keine der berühmten 5 Bundesmilliarden dort gelandet, wo sie eigentlich hingehören, nämlich bei den Bezirken. Es nützt jetzt zwar nichts, über diese Entwicklung zu jammern, berücksichtigen muss man sie bei der Bewertung der aktuellen Finanzlage aber schon. Insgesamt entgehen dem Bezirk Schwaben im Jahr auf diesem Weg nämlich etwa 90 Mio Euro, oder anders ausgedrückt, ungefähr 4 Punkte Bezirksumlage - ein enormer Betrag. Umgekehrt hat man von irgendwelchen Jubelfeiern der Landkreise und der Städte nichts gehört - nein, die Gelder sind ziemlich lautlos in den entsprechenden Kassen verschwunden. Unter dem Strich ist diese Verteilung der Bundesmilliarden für die Kommunen schon vom Volumen her auch viel wichtiger als die Frage, ob die Bezirksumlage geringfügig gesenkt wird oder nicht. Hinzu kommt, dass die nächste Entlastung der Umlagezahler ja bereits zu wirken beginnt: Seit Jahresbeginn entfallen nämlich die Zahlungen, die sie bisher aus der Gewerbesteuer an den „Fonds deutsche Einheit“ und den Solidarpakt leisten mussten. Auch dabei geht es schon heuer in Schwaben um zweistellige Millionenbeträge.

Schließlich darf ich viertens darauf verweisen, dass Schwaben mit 22,4 PP zwar den zweithöchsten Hebesatz der bayerischen Bezirke aufweist, umgerechnet aber auf den Einzelnen Einwohner auf Platz vier, also genau in der Mitte der sieben Bezirke liegt.

Nach all diesen Überlegungen müssen wir, so meine ich, kein schlechtes Gewissen haben, wenn wir den Hebesatz unverändert lassen. Der Kollege Fleschhut hat dies im Dezember 2015 kurz und prägnant ausgedrückt: “Auf den weiteren Ebenen der kommunalen Familie scheint Akzeptanz mit einer stabilen Umlage zu herrschen. Dann sollten wir hier auch keine Baustelle aufmachen.” Zitat Ende. Man sieht: Die Äußerungen großer Persönlichkeiten sind eben zeitlos gültig!

Ich möchte zum Schluss, meine Damen und Herren, noch ein Wort zur Situation hier im Bezirkstag in den letzten Monaten sagen. Die Zusammensetzung des Gremiums hat sich ja nach der Wahl im Oktober stark verändert und entsprechend groß war die Unsicherheit, wie sich auch das Klima verändern würde. Ich möchte Ihnen, Herr Präsident Sailer, an dieser Stelle ausdrücklich dafür danken, dass Sie von Anfang an - auch unter den geänderten Umständen - eine Atmosphäre des Vertrauens und der Wertschätzung geschaffen haben. Nicht Ausgrenzung war das Ziel, sondern die Bündelung aller Kräfte, die uns der Verwirklichung unserer Ziele und unserer Aufgaben näher bringen. Dies zeigt sich auch durch eine Reihe von weiterführenden, fraktionsübergreifenden Aufträgen. Dabei gilt der Grundsatz: Wer eine wirklich gute Idee hat, soll, egal welcher Gruppierung er angehört, eine realistische Chance auf Verwirklichung haben. Den Bezirkstag verstehen wir als einen Wettbewerb um die besten Ideen, ganz gleich, von wem wie kommen. Meistens kommen sie natürlich von uns, das ist ja klar.

Der Bezirkstag ist in unseren Augen auch eine große Verantwortungsgemeinschaft und auch im Konzert der bayerischen Bezirke brauchen wir alle Kräfte, um unsere schwäbischen Interessen zu wahren.

Wir stimmen dem Haushalt 2019 und den weiteren Beschlussvorlagen zu. Unser Dank gilt allen, die an der Vorbereitung der heutigen Beratungen beteiligt waren, insbesondere Ihnen, Herr Seitz, und natürlich auch allen Beschäftigten des Bezirks für ihren Einsatz.

Arbeiten wir weiter gemeinsam für unseren einzigartigen Bezirk Schwaben und für die Menschen, die uns anvertraut sind.