Ortsverband Heinersreuth

CSU Rotmaintal

Volkstrauertag

Gedanken zum Volkstrauertag 2022

 

Eine offizielle Begehung des Volkstrauertages ist auch in unser kleinen Gemeinde Heinersreuth mit ihren knapp 4000 Menschen eine wichtige Tradition. Dass der Volkstrauertag nach vielen „Friedens“-Jahrzehnten in diesem Jahr 2022 noch mehr Bedeutung hat– leider – ist ein Zeichen dafür, dass wir uns mehr als an diesem einem Sonntag im Jahr damit auseinandersetzen müssen und dass unser Streben nach Frieden die höchste Priorität einnehmen muss.

Genauer gesagt ist es der 24. Februar 2022– an diesem Morgen war die Welt eine andere geworden.

Die Invasion russischer Truppen in die Ukraine begann.

Sie markierte das endgültige bittere Scheitern jahrelanger politischer Bemühungen. Seitdem dauert der Angriffskrieg Russlands mit zunehmender Härte und Zerstörung an. Die genauen Opferzahlen sind unbekannt. Meine heute genannten Zahlen basieren auf einem Stand vom 20. Oktober dieses Jahres.

13,7 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer haben nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR )seither ihr Land verlassen, 6,4 sind in der Zwischenzeit wieder in die Ukraine zurückgekehrt. Insgesamt sind zurzeit 6,3 Millionen Menschen in die europäischen Nachbarstaaten geflüchtet, mehr als 7 Millionen sind innerhalb der Ukraine auf der Flucht. Mehr als 1,4 Millionen Menschen in der Ostukraine haben keinen Zugang zu fließendem Wasser.

Unvorstellbar für mich, für Sie, für uns alle.

Es ist Krieg in Europa.

Was ist Krieg? Können wir uns Krieg eigentlich hautnah -also nicht nur aus den Medien vorstellen? Die allerwenigstens von uns.

Krieg ist ein Relikt aus einer Zeit, das weit in der Evolutionsgeschichte zurückliegt und er lastet auf uns wie eine steinzeitliche Hypothek.

Man braucht das Wort Krieg nur auszusprechen und wir fallen zurück. Alles, was in der Kultur und im zivilen Zusammenleben Geltung hat, ist irgendwie aufgehoben.

Mord, Lüge, Verrat, Zerstörung, Qual, Abschnürung von Lebensressourcen, rücksichtlose Brutalität und Einsatz aller Mittel – das ist Krieg.

 

Und die Spirale dieser Blutmühle dreht sich ungehemmt weiter bis eine der kämpfenden Parteien durch die Vernichtung oder die Niederwerfung der anderen, ihr Ziel erreicht zu haben glaubt.

Der Krieg bringt alles um: die Liebe, die Musik, die Menschen und die Menschlichkeit.

Man erklärt den Krieg, um all das schützen, doch man schützt es nicht, man vernichtet es.

Subjektiv mögen Menschen in den Krieg ziehen aus Gründen der Ehre, der Kameradschaft und um bewundert zu werden, doch der Krieg wird zum Selbstmord der Seele. Was passiert mit der Seele eines Menschen, der das Töten zum Handwerk geworden ist.

Objektiv mögen Kriege geführt werden, um Länder zu besetzen, um Menschen zu beherrschen, um Macht zu gewinnen und um Geschäfte abzuschließen, doch all diese Gründe wirken wie Hohn auf das, was im Krieg wirklich passiert.

Der Krieg ist eine Wunde in der Seele der Menschen. Doch kein Krieg schließt die Wunde, jeder neue Krieg als Antwort macht sie von mal zu mal tödlicher.

Was ist aber unsere Aufgabe hier und heute?

Unsere Aufgabe ist es, über den Frieden zu sprechen. Im Gottesdienst heute Morgen haben wir es gesungen, „Herr, gib uns Frieden jeden Tag…“

Über den Frieden sprechen heißt ja über etwas sprechen, das es irgendwie doch nicht gibt. Wahren Frieden gibt es nicht auf unserer Erde und hat es auch nie gegeben, es sei denn als Ziel, das wir offenbar nicht zu erreichen vermögen.

 

Ganz aktuell leben wir in der Sorge vor der Ausbreitung des Krieges zum Flächenbrand Europa.

Angesichts dieser Bedrohung setzen sich mehr Menschen denn je zuvor für Frieden und Abrüstung ein - das ist wahr, das könnte eine Hoffnung sein.

Doch Hoffnung hegen fällt so schwer. Die Politiker versammeln sich in großer Zahl zu immer neuen Gipfelgesprächen, und bis vor diesem 24. Februar sprechen alle so eindringlich für Abrüstung. Wenn wir jetzt die Nachrichten verfolgen, ist alles andere der Fall.

Das ist mit Sicherheit ein Widerspruch dessen, was eigentlich alle wollen, aber irgendwie keine Generation, kein Land, keine Nato, kein Europa, keine Weltmacht so wirklich gut hinbekommt.

Keiner wagt es anzufangen, weil jeder sich fürchtet und so geringes Vertrauen in den Friedenswillen des anderen setzt. Und während jahrelange die eine Abrüstungskonferenz die andere ablöst, findet die irrsinnigste Aufrüstung in der Geschichte der Menschheit statt. Kein Wunder, dass wir in Sorge sind…

Eigentlich wollen wir ja alle „in Frieden leben“ in der Familie, in der Nachbarschaft, in der Gemeinde und darüber hinaus. Gibt es eigentlich keine Möglichkeit, das zu erreichen, ehe es zu spät ist? Könnten wir es nicht vielleicht lernen, auf Gewalt zu verzichten? Wie aber sollte das geschehen, und wo sollte man anfangen? Ich werde Ihnen heute mit Sicherheit keine 1a-Lösung anbieten können, aber was ich Ihnen/euch allen anbieten möchte, ist darüber nachzudenken und diese Friedens-Gedanken zu leben.

Ich zitiere nachfolgend auszugsweise aus der Friedensrede der wohl bekanntesten Kinderbuchautorin: Astrid Lindgren

Ich glaube, wir müssen von Grund auf beginnen. Bei den Kindern.

Die Kinder von heute, werden ja einst die Geschäfte unserer Welt übernehmen, sofern dann noch etwas von ihr übrig ist. Sie sind es, die über Krieg und Frieden bestimmen werden und darüber, in was für einer Gesellschaft sie leben wollen. In einer, wo die Gewalt nur ständig weiterwächst, oder in einer, wo die Menschen in Frieden und Eintracht miteinander leben.

Die Intelligenz, die Gaben des Verstandes mögen zum größten Teil angeboren sein, aber in keinem neugeborenen Kind schlummert ein Samenkorn, aus dem zwangsläufig Gutes oder Böses sprießt. Ob ein Kind zu einem warmherzigen, offenen und vertrauensvollen Menschen mit Sinn für das Gemeinwohl heranwächst oder aber zu einem gefühlskalten, destruktiven, egoistischen Menschen, das entscheiden die, denen das Kind in dieser Welt anvertraut ist, je nachdem, ob sie ihm zeigen, was Liebe ist, oder aber dies nicht tun.

Jenen aber, die heute nach autoritären Systemen, nach vernehmlich härterer Zucht und strafferen Zügeln rufen, möchte Astrid Lindgren das erzählen, was ihr einmal eine alte Dame berichtet hat. Sie war eine junge Mutter zu der Zeit, als man noch an diesen Bibelspruch glaubte, dieses "Wer die Rute schont, verdirbt den Knaben".

Im Grunde ihres Herzens glaubte sie wohl gar nicht daran, aber eines Tages hatte ihr kleiner Sohn etwas getan, wofür er ihrer Meinung nach eine Tracht Prügel verdient hatte, die erste in seinem Leben. Sie trug ihm auf, in den Garten zu gehen und selber nach einem Stock zu suchen, den er ihr dann bringen sollte. Der kleine Junge ging und blieb lange fort. Schließlich kam er weinend zurück und sagte: "Ich habe keinen Stock finden können, aber hier hast du einen Stein, den kannst du ja nach mir werfen."

Da aber fing auch die Mutter an zu weinen, denn plötzlich sah sie alles mit den Augen des Kindes. Das Kind musste gedacht haben, "Meine Mutter will mir wirklich weh tun, und das kann sie ja auch mit einem Stein."

Sie nahm ihren kleinen Sohn in die Arme, und beide weinten eine Weile gemeinsam. Dann legte sie den Stein auf ein Bord in der Küche, und dort blieb er liegen als ständige Mahnung an das Versprechen, das sie sich in dieser Stunde selber gegeben hatte: "NIEMALS GEWALT!"

Ja aber wenn wir unsere Kinder nun ohne Gewalt und ohne irgendwelche straffen Zügel erziehen, entsteht dadurch ewiger Frieden ? Etwas so Einfältiges kann sich wohl nur ein Kinderbuchautor erhoffen! Es ist Utopie. Und ganz gewiss gibt es in unserer Welt noch sehr viel Anderes, das gleichfalls geändert werden muss, soll es Frieden geben. Aber in dieser unserer Gegenwart gibt es - selbst ohne Krieg - so unfassbar viel Grausamkeit, Gewalt und Unterdrückung auf Erden, und das bleibt den Kindern keineswegs verborgen. Sie sehen und hören und lesen es täglich, und schließlich glauben sie gar, Gewalt sei ein natürlicher Zustand.

Müssen wir ihnen dann nicht wenigstens daheim durch unser Beispiel zeigen, dass es eine andere Art zu leben gibt?

Vielleicht wäre es gut, wenn wir alle einen kleinen Stein auf das Küchenbord legten als Mahnung für uns und für die Kinder:
NIEMALS GEWALT!
Es könnte trotz allem mit der Zeit ein winziger Beitrag sein zum Frieden in der Welt.

Zitat Ende

 

Frieden zu erhalten, bleibt eine politische, aber auch eine ganz persönliche Aufgabe, die uns jeden Tag in unserem Leben gestellt wird.

Wir können das Geschehene nicht rückgängig machen, aber dürfen es auch nicht ignorieren, relativieren oder gar umdeuten.

Denken sie an all die „gewaltigen“ Nachrichten der letzten Wochen und Monate, die Lage in Afghanistan, der Krieg in der Ukraine, die blutigen Niederschläge der weiblichen Proteste im Iran, der Wandel der politischen Amtsträger, aktuelles Beispiel Italien, die Situation Taiwans zur Weltmacht China – die Aufzählung ist nicht abschließend….Für uns vielleicht erstmal nur eine Nachricht in der Zeitung, im Fernsehen, im Internet, die Auswirkungen auf unser aller Leben sind aber bereits im Ansatz spürbar…

Naturkatastrophen, soziale Unruhen, politische Machtspiele, wirtschaftliche Abhängigkeiten, Cybergefahren, weitere Pandemien  - auch diese Gefahren bedrohen unsere Welt, die weltweiten Beziehungen und damit auch uns! - unser Leben, unsere Existenz, unseren Frieden.

Unsere Aufgabe und unser Ziel ist ganz klar:

Wir müssen uns mit aller Kraft im Inneren für Demokratie und Toleranz und im Äußeren für Verständigung und Versöhnung engagieren.

Miteinander reden, nicht erst vor den Gerichten, aus Missverständnissen – Verständnis machen, demokratische Entscheidungen respektieren, gegenseitige Wertschätzung und Achtung, das ist unsere tägliche Hausaufgabe.

 

 

Was wir tun, was wir reden und selbst was wir denken, trägt seinen Teil zum großen Geschehen bei. Das galt für die Zeit, an die der heutige Tag erinnert und es gilt kein bisschen weniger für heute und unsere gemeinsame Zukunft.

 

Der Tag heute, der Volkstrauertag steht für Gedenken und Innehalten, für Einfühlungsvermögen und Mahnung, für Verständigung und Versöhnung.

Lasst uns gemeinsam schützen und beschützen, was uns stark und friedlich gemacht hat. Die Demokratie.

 

Die Erinnerung an das Leid  der  Kriege, an Gewalt und die ganz aktuelle Lage in der Welt  müssen das Ziel haben, dass Menschen und Nationen friedlich zusammenleben  können.

 

Frieden ist nicht selbstverständlich, er fordert Einsatz- an jedem Tag. Er fängt bei mir/Ihnen und euch an, in der Familie, in der Nachbarschaft, in der Schule, in der Freundschaft und in der Gemeinde – durch Respekt und Solidarität.

 

Und besinnen wir uns nicht nur heute am Volkstrauertag auf dieses friedliche Miteinander, sondern machen wir diese Haltung zu unserer inneren Überzeugung.

 

Denken Sie an diejenigen, die uns zeigen, was Freiheit und Frieden wert sind:

an die Opfer von Krieg, Unrecht und Terror, von Extremismus, Antisemitismus und Rassismus – an die Opfer hier bei uns daheim, in Deutschland, in Europa und in der ganzen Welt.

Als ein äußeres Zeichen des Gedenkens wurden heute in unserer Gemeinde an allen Denkmälern Kränze niedergelegt– gegen das Vergessen, für heute und für morgen….

Ich danke allen, die den heutigen Volkstrauertag mit begleitet haben.

Es ist so wichtig, dass wir das machen, egal wie, wann und wo.

 

Nehmen Sie den heutigen Friedensgedanken in sich auf und geben sie ihn in die Familie, Nachbarschaft und an Freunde weiter.

 

Helfen Sie auch mit, die Herausforderungen dieser Zeit gut zu überstehen. Überlegen Sie, was sie dafür tun können, wo und wie sie Strom und weitere Energie sparen können und wem sie vielleicht ihre persönliche Hilfe und Unterstützung anbieten können.

 

Ich wünsche Ihnen/uns allen alles erdenklich Gute, ein Leben in Frieden und stabile Gesundheit.

 

Gott schütze uns.

 

 

 

 

Simone Kirschner, Bürgermeisterin, 13.11.2022