Ortsverband Neuhaus/Inn

Neuhaus am Inn pocht auf Hochwasserrückhaltung

Bürgermeister Schifferer und Dorn beim Umweltminister

Bürgermeister Josef Schifferer, 2. Bürgermeister Stephan Dorn, Landtagsabgeordneter Walter Taubeneder, Umweltminister Marcel Huber und Wolf-Dieter Rogowski vom Wasserwirtschaftsamt Deggendorf

Vor genau fünf Jahren war das Entsetzen groß. Zahlreiche Orte an den Flüssen waren überschwemmt. Die Gemeinde Neuhaus a. Inn und dabei insbesondere tiefergelegene Ortsteile von Neuhaus sowie nahezu die gesamte ehemalige Gemeinde Mittich waren betroffen. Kurz nach der Katastrophe war neben staatlichen Hilfen für Betroffene das Bewusstsein allgegenwärtig, dass für künftige Ereignisse Vorsorge getroffen werden muss.

Nachdem fast fünf Jahre keine Ergebnisse veröffentlicht wurden, hat sich im vergangenen Jahr 2. Bürgermister Stephan Dorn an die mit den Untersuchungen zur Hochwasserrückhaltung beauftragten Einrichtungen gewandt. Die Antworten befriedigten den Kommunalpolitiker nicht. Über Landtagsabgeordneten Walter Taubeneder wurde nun ein Termin von Bürgermeister Josef Schifferer und seinem Stellvertreter Stephan Dorn beim Bayerischen Umweltminister Marcel Huber vereinbart, bei dem die Kommunalpolitiker den Anliegen der Neuhauser Bürger Nachdruck verleihen und um Hilfe aus München bitten wollten.

Bei dem Gespräch, zu dem auch Walter Taubeneder und der stellvertretende Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Deggendorf Wolf-Dieter Rogowsky dabei waren, konnten die Bürgermeister aus Neuhaus zunächst den aktuellen Sachstand erfahren.

Ausgelöst durch das Hochwasser vom Juni 2013 haben Bayern und Österreich nach einem längerem Abstimmungsprozess Mitte 2015 beschlossen, die Möglichkeiten der Hochwasserrückhaltung am außeralpinen Inn und an der Salzach unterhalb der Saalachmündung in einem gemeinsamen Projekt systematisch zu untersuchen. Ergänzend sollen in dem Projekt Fragen zum Feststoffverhalten in Inn und Salzach bearbeitet werden. Das Projekt mit einem Kostenumfang von aktuell rund 1,8 Mio. € wurde im am 01.12.2015 gestartet und soll nach derzeitigem Stand am Ende März 2020 mit dem Schlussbericht vollständig abgeschlossen sein.

Das Untersuchungsgebiet umfasst den bayerischen Inn ab der Landesgrenze zu Österreich bis zur Mündung in die Donau, sowie die Salzach unterhalb der Saalachmündung. Es werden die Verhältnisse auf beiden Seiten des Inns betrachtet, um unter anderem potenzielle Standorte für ungesteuerte und gesteuerte Flutpolder und Rückhalteräume sowie Deichrückverlegungen zu untersuchen.

Dazu werden die Abflussverhältnisse und Überschwemmungsflächen im Untersuchungsgebiet sowohl im historischen Zustand vor der Flusskorrektion als auch im Ist-Zustand mittels zweidimensionaler hydrodynamischer Modellierung berechnet. Durch den Vergleich der beiden Zustände können die Auswirkungen der anthropogenen Veränderung sowie die Rückhaltepotentiale aufgezeigt werden. Größere historische Überschwemmungsflächen, die im heutigen Zustand durch Eindeichung oder ähnliche Maßnahmen zwar keine Retentionswirkung mehr haben, aber keine oder nur geringe Schadenspotentiale aufweisen, können so als potentiell reaktivierbare Rückhalteflächen identifiziert werden. Diese Standorte werden anschließend für verschiedene Hochwasserszenarien auf ihre Wirksamkeit als gesteuerte und ungesteuerte Rückhalteräume untersucht. Zudem können Aussagen über die Hochwasserwellenausbreitung getroffen werden.

Zusätzlich sind am Inn aufgrund seines alpinen Einzugsgebiets auch die mitgeführten Feststoffe in die Studie mit einzubeziehen. Dabei werden mit einem mathematischen Feststofftransportmodell morphologische Fragestellungen bearbeitet, wie z.B. die Mobilisierung und Ablagerung von Geschiebe und Feinmaterial unmittelbar im Flusslauf oder in Stauräumen sowie in den Rückhalteräumen und Überflutungsflächen. Ein großmaßstäblicher Laborversuch an der wasserbaulichen Versuchsanstalt der TU München in Obernach dient hierbei der Weiterentwicklung und Überprüfung der eingesetzten Software. Die genannten Untersuchungen erfolgen durch die TU München/Prof. Dr. Rutschmann

Ein weiterer Aspekt ist die Frage der Hochwasserrückhaltung und der Beeinflussung der Hochwasserwellengeschwindigkeit durch ein gezieltes Management der Stauräume. Letzteres ist am Inn wegen der Überlagerung der Hochwasserwellen von Inn und Salzach an der Salzachmündung und der Überlagerung der Hochwasserwellen von Inn und Donau in Passau von besonderem Interesse. Diese Untersuchungen werden von der Universität Kassel/Prof. Dr. Theobald erarbeitet.

Für die hydrologischen Eingabedaten in die Modelle werden Im Rahmen einer Forschungskooperation zusätzliche Beiträge durch die TU Wien/Prof. Dr. Blöschl (Niederschlags-/Abflussmodellierungen) und durch die TU München/Prof. Dr. Disse (statistische Untersuchungen zu Hochwasserwellen nach dem Copulaverfahren) erarbeitet.

Die stochastische N/A-Modellierung zur Generierung der für die Wirkunganalysen vorgesehenen Zuflusswellen (TU Wien) sowie die Copula-Untersuchungen (TU München) zu deren Verifizierung liegen bereits vor. Die Untersuchungen zur Staustufenbewirtschaftung (Uni Kassel) sind im Zeitplan, Ergebnisse werden im Sommer 2018 vorliegen. Bei den 2d-Modellierungen (Reinwasser- und Feststoff¬transportmodell) sowie beim Laborversuch haben sich jedoch Verzögerungen ergeben, weshalb der Projektabschluss auf Ende März 2020 neu festgelegt werden musste.

Josef Schifferer und Stephan Dorn betonten, dass sich der Hochwasserschutz nicht auf die Städte am Oberlauf den Inns beschränken dürfe. Die Orte in der Gemeinde Neuhaus sind lebendige Dörfer. Die Menschen brauchen eine Perspektive.

Wenig Verständnis hätten die Bürger zudem, dass laut wissenschaftlichen Untersuchungen weder der Hochwasserschutz in Schärding noch die Verlandungen vor den Kraftwerken eine nennenswerte Auswirkung auf den Wasserstand hätten, aber im Bereich des festgesetzten Überschwemmungsgebietes der Gemeinde Neuhaus am Inn bereits minimalste Maßnahmen einen Retentionsausgleich erfordern.

Umweltminister Marcel Huber zeigte Verständnis für die Anliegen der Neuhauser, insbesondere dass sie auf zeitnahe Ergebnisse im Bereich der Hochwasserrückhaltung drängen. Josef Schifferer und Stephan Dorn wurde zugesichert, durch zeitnahe Zwischeninformationen beteiligt zu werden.