Markus Blume in "Fremde Federn" der FAZ

Das C ist mehr als ein Kreuz

Das christliche Bekenntnis ist in Deutschland nicht mehr selbstverständlich. Bei rund 24 Millionen Katholiken und 22 Millionen Protestanten ist das Christentum zwar weiter mit Abstand die größte Religionsgemeinschaft in Deutschland. Die beiden christlichen Kirchen repräsentieren aber nur noch wenig mehr als die Hälfte der Bundesbürger. Auch wenn man berücksichtigt, dass viele Menschen sich ohne Kirchenzugehörigkeit als Christen definieren, bleibt der verstörende Befund, dass das verfasste Christentum eines absehbaren Tages nicht mehr die Religion der Mehrheit in Deutschland sein wird.

Was heißt das für unseren Staat und unsere Öffentlichkeit? Mehr als andere politische Kräfte sind damit die Parteien konfrontiert, die das C im Namen tragen. Sich mit dem Stellenwert des Christentums in Staat und Gesellschaft zu befassen, ist uns als Christlich-Sozialer Union schon qua Gründungsgeschichte aufgegeben. Deshalb stoßen wir auch politische Debatten an, die anderen als Torheit oder Ärgernis erscheinen mögen. „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Als Ernst-Wolfgang Böckenförde 1976 sein bekanntes Paradoxon formulierte, zählte alleine die alte Bundesrepublik noch rund 54 Millionen eingetragene Christen – bei damals 61 Millionen Einwohnern. In einer solchen Situation mag es eine hinreichende Zuversicht gegeben haben, dass es genügend Institutionen und gesellschaftliche Kräfte gibt, die das Wertefundament des Staates garantieren. Im Jahr 2018 ist diese Zuversicht mindestens nicht mehr selbstverständlich.

Wenn der Satz dennoch richtig bleibt, so stellt er uns heute vor eine gewaltige Herausforderung. Die christliche Prägung unseres Landes hat die Voraussetzungen hervorgebracht, von denen unser Staat lebt: die Würde des Menschen, Individualität und Personalität jedes Einzelnen, Freiheit, Gleichheit und Gemeinschaft. Wer garantiert diese Wertegrundlagen in Zukunft noch, wenn die Präsenz des Christentums im öffentlichen Raum nicht mehr selbstverständlich ist, sondern ihrerseits begründungsbedürftig wird? Es handelt sich mit Sicherheit nicht um eine Frage des Kolorits. Christliche Prägung stiftet gewiss Identität, Heimat und Zusammengehörigkeit. Christliche Werte sind aber noch mehr: Sie sind basal für eine freiheitliche Demokratie. Der empirische Blick auf die Welt zeigt, dass auf Dauer stabile Demokratien außerhalb von Ländern christlicher Prägung selten anzutreffen sind. Die bedeutenden Ausnahmen sind schnell aufgezählt: Indien, Indonesien und Israel.

Wenn dem aber so ist, dann müssen wir heute neu über Böckenfördes Diktum nachdenken. Dann kommen wir zwar weiter dazu, dass der säkulare Staat seine eigenen Voraussetzungen nicht garantieren kann. Anders gesagt: Der säkulare Staat liefert nicht seine eigene Letztbegründung. Aber er bekommt, zusammen mit den ihn tragenden politischen Kräften, die kategorische Aufgabe, christliche Werte und Überzeugungen weiter im öffentlichen Raum präsent zu halten – und zwar auch dann, wenn dies aus religiösen Praktiken heraus nicht mehr selbstverständlich ist.

Diese Aufgabe lässt sich nicht abstreifen, weder im Interesse der Demokratie, noch im Interesse der Menschen, für die unser freiheitlicher Staat da ist. Denn die Alternative wäre ein unwillkürliches Abgleiten in den Laizismus, ein religionsfreier und religionsfeindlicher öffentlicher Raum, den unser Grundgesetz aus guten Gründen nicht will.

Was heißt das jetzt für eine Partei mit dem C im Namen? Die CSU war nie eine klerikale Partei. Aber sie wurde von Menschen gegründet, die die Konzentrationslager des Nationalsozialismus überstanden hatten und wussten, dass eine Demokratie nur auf den festen Werten des Christentums gedeihen kann. Das C ist mehr als ein Symbol und mehr als ein Kreuz, es ist der Auftrag, die christliche Überzeugung als Basis unserer Gesellschaft, unseres Gemeinwesens, unseres Staates lebendig zu erhalten.

 

Dieser Artikel wurde am 9. Mai 2018 auf der Onlinepräsenz der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht.