Stabilität, Haftung, Eigenverantwortung

Die MU-Landesversammlung hat beschlossen:

Die Europäische Union steht vor großen Herausforderungen. Der Brexit sowie die neue „America First“-Politik der US-Administration haben viele vermeintliche Gewissheiten in Frage gestellt. In solch einer unübersichtlichen Welt ist eine starke Europäische Union umso wichtiger. Damit die europäische Integration weiterhin eine Erfolgsgeschichte bleibt, braucht es jedoch klare Leitmotive in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die Mittelstandsunion setzt sich für eine europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik ein, die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ausreichend Luft zum Atmen lässt, das Haftungsprinzip respektiert, Stabilität in den Mittelpunkt stellt, und für eine faire Unternehmensbesteuerung im europäischen Binnenmarkt sorgt. 

1) Ein starker digitaler Binnenmarkt für ein starkes Europa  

Der Binnenmarkt ist eine der größten Errungenschaften der europäischen Einigung. Er ermöglicht europaweit den freien Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr. Um den Binnenmarkt fit für das 21 Jahrhundert zu machen, muss das bestehende Regelwerk um eine digitale Dimension ergänzt werden. Dazu gehört beispielsweise ein kluger Umgang mit digitalen Plattformen, ein ausgewogenes Datenschutzrecht, ein modernes Wettbewerbsrecht, das den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird, sowie gezielte industriepolitische Impulse in strategisch wichtigen Sektoren, etwa im Bereich Cloud Computing.  

2) Der Mittelstand als Herzstück der europäischen Wirtschaft  

Ein wettbewerbsfähiges Europa braucht einen starken Mittelstand. Über 99 Prozent der Unternehmen in der EU sind kleine und mittlere Unternehmen. Sie schaffen das Gros aller Arbeitsplätze, tragen zum Wirtschaftswachstum bei und sind häufig in der Region verwurzelt. Der Mittelstand ist damit das Herzstück der europäischen Wirtschaft. Mittelstands- und Unternehmerfreundlichkeit müssen daher zentrale Leitmotive europäischer Politik sein. Wir fordern einen europäischen Regulierungsansatz, der die besonderen Anliegen und Bedürfnisse von KMU ausreichend berücksichtigt. Deswegen braucht es einen verpflichtenden „KMU-TÜV“ im europäischen Gesetzgebungsprozess.  

(3) Kluge Regeln für ein starkes Handwerk  

Transparenz und Vergleichbarkeit von Berufsbildern müssen in einem funktionierenden Binnenmarkt gefördert werden, die nationalen Vielfalten von Berufsbildern sollte dabei jedoch beibehalten werden. Das gilt auch für bewährte Qualitätsnachweise wie den Meisterbrief. Bei der Ausbildung junger Menschen setzt das duale Ausbildungssystem in Europa Maßstäbe und ist für uns Leitmotiv. Da internationale Erfahrung in einer globalisierten Welt für junge Menschen immer wichtiger wird, muss der Ausbau von Austauschprogrammen wie Erasmus+ im Ausbildungsbereich weiter vorangetrieben werden.  

(4) Reform der Wirtschafts- und Währungsunion mit Augenmaß  

Bei der Reform der Wirtschafts- und Währungsunion muss das Haftungsprinzip das Leitmotiv sein. Um das Fundament für eine auch in Zukunft erfolgreiche Wirtschafts- und Währungsunion zu schaffen, müssen zunächst die Altlasten aus der Krise abgebaut werden. Dazu gehört insbesondere der Abbau von faulen Krediten in den Bilanzen vieler Banken sowie eine angemessene regulatorische Behandlung von Staatsanleihen. Nur so kann die unheilvolle Verknüpfung zwischen Banken und Staaten aufgelöst werden.  

Grundsätzlich braucht es bei der Reform der Wirtschafts- und Währungsunion keine neuen Töpfe, Regeln oder Institutionen, sondern in erster Linie eine striktere Anwendung der bestehenden Regeln der wirtschaftspolitischen Steuerung und dabei insbesondere des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der für eine verantwortungsvolle Haushaltsführung sorgen soll. Dafür wäre eine Vereinfachung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, die die vielen Ausnahmetatbestände beseitigt, sinnvoll und zielführend. Eine Vergemeinschaftung von Schulden über Eurobonds und permanente Transfermechanismen wie etwa eine europäische Arbeitslosenversicherung lehnen wir vehement ab. Gleiches gilt für die Vergemeinschaftung von Bankrisiken mittels eines vergemeinschafteten Einlagensicherungssystems.  

(5) Steuern: Klare Regeln für eine faire Unternehmenssteuerpolitik  

Das Thema faire Unternehmensbesteuerung ist infolge einer Reihe von Skandalen in den vergangenen Jahren in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass multinationale Konzerne das Nebeneinander der Steuersysteme der Mitgliedstaaten für aggressive Steuergestaltungsmodelle missbrauchen. Gerade auf Druck des Europäischen Parlaments hat sich bei der Frage einer faireren Unternehmensbesteuerung in den vergangenen Jahren einiges getan. Dieser Weg muss weiterbeschritten werden.

Insbesondere braucht es eine gemeinsame Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage, die einerseits das grenzüberschreitende Wirtschaften erleichtert und andererseits sicherstellt, dass es innerhalb der Europäischen Union keinen Wettbewerb hinsichtlich der steuerlichen Bemessungsgrundlage gibt. Die Entscheidung über die Höhe der Steuersätze sollte im Sinne des Subsidiaritätsprinzips jedoch auf Ebene der Mitgliedstaaten verbleiben.  

Künftig muss auch für eine faire Besteuerung der Digitalwirtschaft gesorgt werden. Das heutige Körperschaftssteuerrecht passt nicht mehr zu Geschäftsmodellen, die unabhängig von physischen Betriebsstätten funktionieren. Entsprechend müssen wir das Körperschaftssteuerrecht um das Konzept einer virtuellen Betriebsstätte erweitern, sodass auch Internet-Unternehmen ohne physische Betriebsstätte in der Europäischen Unternehmenssteuern zahlen, wenn sie in der EU Gewinne erwirtschaften.